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Entwicklungspsychologie nach Piaget

Entwicklungspsychologie im Kindes- und Jugendalter: Der Schweizer Biologe und Entwicklungsforscher Jean Piaget (1896 bis 1980) entwickelte eines der bis heute bekanntesten Stufenmodell zur kognitiven Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.

Entwicklungspsychologie nach Piaget
© iStock.com/MartinPrescott

Piaget ist neben Sigmund Freud (zur Entwicklungspsychologie nach Freud) und Erik H. Erikson (zur Entwcklungspsychologie nach Erikson) einer der wichtigsten Forscher auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie. Piaget sieht die Entwicklung eines Kindes als Ergebnis der Interaktion zwischen dem Kind und seiner Umwelt. Nur dadurch, dass es sich mit seiner Umwelt auseinandersetzt, kann es sich entwickeln – und nicht durch bloße Wissensvermittlung. Ein Kind lernt laut Piaget das Denken, indem sich immer umfassendere und konkretere Denkschemata entwickeln.

Während ein Neugeborenes noch über wenige Schemata verfügt, vermehren sich diese im Laufe der kindlichen Entwicklung. Dies geschieht durch die Organisation und Adaption der Schemata. Die Organisation erfolgt, indem bereits bestehende Schemata zu größeren und komplexeren Schemata zusammengefügt werden. Wenn ein Kind beispielsweise in der Lage ist, in einem Schema nach einer Tasse zu greifen und in einem anderen Schema aus einer Tasse trinken kann, sieht die Organisation dieser beiden Schemata so aus, dass es eine Tasse greift, um dann aus ihr zu trinken. Die Adaption neuer Erfahrungen erfolgt immer über Assimilation (Integration, wenn die vorhandenen Strukturen für die Erfahrung ausreichen) oder Akkomodation (Erweiterung, wenn sie nicht ausreichen, werden die vorhandenen Strukturen angepasst). Das Kind strebt immer ein Gleichgewicht (Äquilibrium) zwischen Assimilation und Adaption an.

Laut Entwicklungspsychologie nach Piaget stehen Assimilation und Akkomodation im Gegensatz zueinander, sind aber beide unverzichtbar für die kognitive Entwicklung. Während des Austausches mit der Umwelt finden sowohl Anpassung der Umwelt als auch Anpassung an die Umwelt statt.

Selbstständig die Welt erfahren

Schaut man sich das Stufenmodell der kognitiven Entwicklung nach Piaget an, wird klar, dass die Förderung und Anregung des Kindes von enormer Bedeutung für dessen Entwicklung sind. Nur, indem sich ein Kind mit seiner Umwelt aktiv auseinandersetzt – dafür benötigt es ausreichende Möglichkeiten bzw. Reize – kann es sich aktiv entwickeln. Der Drang zur Entwicklung kommt laut Piaget aus dem Kinde selbst. Eine möglichst anregende und konstruktive Umgebung zu schaffen, in der sich das Kind mit seiner Umwelt austauschen kann, und damit die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen, ist daher besonders wichtig.

Stufenmodell nach Piaget

Zur Veranschaulichung der kognitiven Entwicklungsphasen entwickelte Piaget ein Stufenmodell. Die Übergänge zwischen diesen Phasen sind fließend.

Sensomotorische Phase (bis zum 2. Lebensjahr)

Das Kind sammelt in seinen ersten beiden Lebensjahren Erfahrungen und lernt hauptsächlich durch Beobachten/Wahrnehmen. Im Mittelpunkt steht die Wahrnehmung von Objekten an sich und die Wahrnehmung dessen, was man mit den Objekten machen kann. Es erkundet die Welt mit seinen Sinnen und seinen Bewegungen (sensomotorisch). Die Intelligenz tritt laut Piaget nur in Form von Reaktionen auf sensorische Reize sowie als motorische Aktivität in Erscheinung. In der sensomotorischen Phase finden entscheidende Prozesse statt, die die Grundlage der gesamten kognitiven Entwicklung des Kindes ausmachen.

Zunächst übt ein Neugeborenes ausschließlich durch angeborene Reflexe, es hantiert dann durch das in den Mund nehmen erstmals mit Gegenständen, dann folgen Anfassen und Greifen. Danach entdeckt das Baby erstmals Handlungen: Wenn ich etwas Bestimmtes tue, passiert dies oder jenes. Zunächst zufällig und dann absichtlich nimmt es Einfluss auf seine Umwelt. Ungefähr ab dem 8. Lebensmonat lernt das Kind, dass Dinge, obwohl gerade nicht präsent, trotzdem noch existent sind. In den darauffolgenden Monaten werden bereits bekannte Handlungen auch in neuen Situationen ausprobiert. Etwa mit Erreichen des 1. Lebensjahrs beginnt das Kind zu experimentieren, indem es neue Handlungen in immer wieder abgewandelter Form ausprobiert. Das Entdecken und Einwirken auf die Umwelt ist für das Kind ganz entscheidend, es legt dabei neue Schemata an.

Zwischen dem 18. und 24. Lebensmonat ist das Kind bereits in der Lage, Handlungen nachzuvollziehen und vorauszusagen und sich gedanklich mit einem Objekt zu beschäftigen, obwohl dieses Objekt gerade nicht präsent ist. Es benötigt dazu nicht mehr zwingend das Objekt selbst.

Motorik-Meilensteine des Babys

Präoperationale Phase (2. bis 7. Lebensjahr)

In der präoperationalen Phase lernt das Kind, durch Symbole, vor allem durch Sprache, seine Umwelt zu beeinflussen. So muss es nicht mehr einzig nach etwas greifen, um es zu bekommen, es kann auch darum bitten. Dabei muss das gewünschte Objekt nicht unbedingt anwesend sein. Die sinnliche Wahrnehmung überwiegt in dieser Phase aber immer noch. So glauben Kinder daran, dass etwas, das mehr Raum einnimmt, auch automatisch größer ist. Die berühmte "Umschüttaufgabe" zeigt das anschaulich:

Ein Kind erhält zwei exakt gleich große Gläser mit der genau gleichen Menge Flüssigkeit. Nun wird die Flüssigkeit aus einem Glas in ein anderes, schmaleres und höheres Glas umgefüllt. Obwohl sich die Flüssigkeitsmenge ganz offensichtlich nicht verändert hat – der Umfüllvorgang findet vor den Augen des Kindes statt – ist das Kind der Meinung, in dem schmalen, hohen Glas befinde sich eine größere Menge Flüssigkeit, weil der Füllstand des Glases schlicht höher ist. Lediglich das äußere Merkmal hat sich also verändert. Da die optische Wahrnehmung in dieser Phase noch stärker wiegt, glaubt das Kind, im Glas mit dem höheren Füllstand ist auch mehr Flüssigkeit enthalten.

Konkretoperationale Phase (7. bis 12. Lebensjahr)

Laut Entwicklungspsychologie nach Piaget entwickeln sich in der konkretoperationalen Stufe das logische und rationale Denken, anschauliche Objekte stehen aber noch im Vordergrund. Das Kind ist nun in der Lage, mehrere Gedanken- und Handlungsprozesse gleichzeitig zu erfassen und zueinander in Beziehung zu bringen. Es überträgt nicht mehr die Erklärungsmuster, die für das Kind selbst gelten, auf Objekte oder Phänomene ("Ich bin vom Fahrrad gefallen, weil das Fahrrad böse ist"). Auch lernt es immer mehr, vorausschauend zu denken und das eigene Handeln zu reflektieren. Das abstrakte Denken fällt Kindern in dieser Phase aber noch schwer. Erste Wertehierarchien entstehen.

Formaloperative Phase (12. bis 15. Lebensjahr)

In der formaloperativen Phase erlernt das Kind laut Piaget abstraktes Denken. Seine Fähigkeiten ermöglichen ihm nun, hypothetisch zu denken und mit Gedankenspielen umzugehen, diese von allen Seiten zu beleuchten, zu analysieren und dabei systematisch zu denken. Es löst sich endgültig von der reinen Wahrnehmung von Objekten und Situationen. Nicht mehr das Handeln steht im Mittelpunkt, sondern das Denken.

Beiträge im Forum "Geburtstermin November/Dezember 2017"
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