Kinderlosigkeit verarbeiten: Wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt
Paare, die eine ungewollte Kinderlosigkeit hinnehmen müssen, durchlaufen meist mehrere Phasen der Bewältigung. In dieser schweren Zeit kann eine psychologische Begleitung helfen.
Gelingt es einem Paar nicht, auf natürliche Weise ein Kind zu bekommen, kann es sich für eine künstliche Befruchtung, beispielsweise für eine sogenannte In-Vitro-Fertilisation (IVF), entscheiden. Allerdings bleibt selbst nach mehreren Versuchen jedes zweite Paar auch danach kinderlos. Spätestens dann ist der Zeitpunkt gekommen, dass beide Partner akzeptieren lernen müssen, kein eigenes Kind bekommen zu können. Dieser Zeitpunkt tritt je nach Paar unterschiedlich ein. Manche Paare entscheiden sich gleich gegen eine IVF, andere hingegen erst nach mehreren erfolglosen Versuchen mit künstlicher Befruchtung. Irgendwann spricht auch das Alter gegen weitere Versuche, die Wechseljahre setzen ein natürliches Ende oder der*die behandelnde Arzt*Ärztin rät dem Paar von weiteren Versuchen ab.
Artikel-Inhalte im Überblick:
Weg zur Akzeptanz der Kinderlosigkeit ist beschwerlich
Fast die Hälfte aller kinderlos gebliebenen Frauen und Männer entwickeln laut Robert-Koch-Institut eine zumindest milde Depression im Laufe des Bewältigungsprozesses. Hierbei sind Frauen gefährdeter als Männer. Beide Partner sollten sich bereits vor und während einer IVF Gedanken darüber machen, wie sie mit Misserfolgen umgehen und an eine mögliche Kinderlosigkeit denken. Hierbei können sie sich Unterstützung im sozialen Umfeld suchen oder professionelle Hilfe in Form einer Therapie in Anspruch nehmen, denn es handelt sich um eine starke emotionale Belastung.
Frauen und Männer brauchen unterschiedlich lange, um eine Kinderlosigkeit zu bewältigen. Männer brauchen oftmals länger, die Tragweite eines unerfüllten Kinderwunsches zu realisieren und möchten für ihre Frau "der Fels in der Brandung" sein, auch wenn die eigenen Kräfte schwinden. Daher werden sie oft erst später plötzlich traurig. Ansonsten durchlaufen Männer und Frauen aber sehr ähnliche Phasen bis hin zur Akzeptanz des Schicksals und neuen Lebensentwürfen:
Die Phasen der Verarbeitung des unerfüllten Kinderwunsches
- Schockphase: Die Betroffenen werden sich darüber bewusst, dass sie kinderlos bleiben werden.
- Verleugnungsphase: Die Sterilität wird vom Paar verdrängt. Es werden weitere Ärzt*innen konsultiert, in der Hoffnung, diese stellen positivere Diagnosen. In dieser Zeit leidet oft das Selbstbewusstsein beider Partner.
- Wutphase: Eine durch die Diagnose Sterilität entstehende Wut und Kränkung bewirkt bei Betroffenen oft eine Aggression gegenüber Paaren, die Kinder haben, gegen Schwangere oder gegen Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen.
- Phase der Schuldgefühle: Viele Paare reden zu wenig über ihre Gefühle und haben so Schwierigkeiten, ihre Situation zu bewältigen. Andere machen sich zum Beispiel Vorwürfe wegen eines Schwangerschaftsabbruchs in der Vergangenheit oder dass sie zu häufig die Sexualpartner gewechselt hätten. Es entwickelt sich manchmal Neid auf Paare mit Kindern. Nicht wenige haben Angst, wegen der Kinderlosigkeit von dem*der Partner*in verlassen zu werden.
- Phase der Isolierung: In dieser Phase ziehen sich Paare aus der Gesellschaft zurück. Manche Paare möchten nicht, dass andere von ihrem unerfüllten Kinderwunsch erfahren. Einige meiden bewusst den Kontakt zu Kindern. Bei anderen Paaren wird die Sexualität eingefroren, da sie als sinnlos empfunden wird. Dann besteht auch die Gefahr der Entfremdung.
- Depressionsphase: Manchmal verschlimmern sich Depressionen bis hin zu Suizidgedanken. Die Krise stellt den Mittelpunkt des Lebens dar. In dieser Phase ist psychologischer Beistand sehr wichtig! Bitte wende dich beispielsweise an die kostenfreie Nummer der Telefonseelsorge (0800-111 0 111), wenn du Gedanken an Suizid hegst.
- Trauerphase: Die wirkliche Verarbeitung der ungewollten Kinderlosigkeit beginnt. Es wird wieder über die Zukunft nachgedacht, ein Licht am Ende des Tunnels ist für die Paare zu sehen.
- Phase der Akzeptanz: Paare schöpfen neuen Mut und können einen unerfüllten Kinderwunsch akzeptieren. Neue Zukunftspläne werden gemacht.
Während der gesamten Zeit des Verarbeitungsprozesses kann es hilfreich sein, Hilfe oder psychologische Beratung zum Umgang mit der Kinderlosigkeit in Anspruch zu nehmen. Diese wird beispielsweise von Pro Familia oder anderen Beratungsstellen angeboten. Auch das Beratungsnetzwerk Kinderwunsch oder Frauengesundheitszentren bieten Unterstützung bei ungewollter Kinderlosigkeit an.
Glück in anderen Lebensbereichen finden
Aus der Krise des unerfüllten Kinderwunsches kommt ein Paar letztendlich oft gestärkt wieder heraus. Die für beide Partner aufreibende Zeit schweißt sie besonders zusammen. Eine neue Situation stellt sich ein und der Schwerpunkt liegt nun auf anderen Bereichen als der Familiengründung, etwa dem Berufsleben, Sport, sozialem Engagement oder Reisen.
Übrigens: Wie glücklich Paare sind, hängt nicht von Kindern ab. Dies sagen etwa 63 Prozent der kinderlosen Paare, aber auch 43 Prozent der Eltern. Besonders in den ersten Jahren der Elternschaft sind Kinder mit dem Lebensglück sogar negativ korreliert, wie demografische Studien zeigen konnten. Erst später, wenn der Nachwuchs selbstständiger wird, kehrt sich dieser Trend um.
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