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Auffälliges Lächeln

Angelman-Syndrom beim Baby erkennen

Sie haben einen fröhlichen Gesichtsausdruck, doch dahinter steckt eine Erbkrankheit mit dem Namen Angelman-Syndrom. Warum Kinder mit dieser Störung häufiger lächeln, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Was Eltern über Ursachen, Anzeichen und Behandlungsmöglichkeiten wissen sollten.

Lachendes Kind mit dem Angelman-Syndrom
© GettyImages/ArtMarie

Artikelinhalte im Überblick:

Entwicklung Baby: Das passiert Monat für Monat

Was ist das Angelman-Syndrom?

Beim Angelman-Syndrom (AS) handelt es sich um eine neurologische Erkrankung, die erblich bedingt ist. Sie geht mit einer geistigen und körperlichen Entwicklungsverzögerung, mit einer schweren Intelligenzminderung und mit einer gestörten Bewegungskoordination (Ataxie) einher. Charakteristisch ist zudem, dass betroffene Kinder überdurchschnittlich häufig und ohne ersichtlichen Grund lächeln.

Erstmals beschrieben wurde die Erkrankung 1965 vom englischen Kinderarzt Dr. Harry Angelman. Er nannte die Krankheit zunächst „Happy Puppet Syndrome“ (happy puppet = glückliche Marionette), diese Bezeichnung wird heute nicht mehr verwendet.

Das Angelman-Syndrom ist selten: Etwa eins von 10.000 bis 20.000 Neugeborenen ist davon betroffen. Die Störung tritt bei beiden Geschlechtern auf. Wie hoch das Risiko ist, dass die Erkrankung in einer Familie gehäuft vorkommt, hängt von der exakten genetischen Ursache ab. Generell wird das Wiederholungsrisiko als gering eingestuft, da die genetischen Veränderungen fast immer sporadisch auftreten. Bestimmte Chromosomenstörungen bei einem Elternteil können das Risiko aber erhöhen.

Welche Ursachen hat das Angelman-Syndrom?

Vereinfacht ausgedrückt entsteht das Angelman-Syndrom aufgrund einer Veränderung in einem Bereich auf dem Chromosom 15 (15q11q13). Es kommt dabei zu einem Funktionsverlust des UBE3A-Gens. In diesem Bereich unterliegen Gene einer elterlichen Prägung (genomisches Imprinting). Auch das Prader-Willi-Syndrom (PWS) wird durch einen Funktionsverlust in diesem Bereich hervorgerufen.

Das genomische Imprinting ist ein Prozess, bei dem bestimmte Genregionen so geprägt werden, dass nur das väterliche oder das mütterliche Allel (Genvariante) aktiv ist. Dies geschieht durch eine Inaktivierung eines Allels durch DNA-Methylierung (Modifikation der Erbsubstanz) und Histonmodifikationen (Veränderungen an Histon-Proteinen). Wenn eine aktive Genvariante defekt ist, fehlt oder das genomische Imprinting fehlerhaft ist, können genetisch bedingte Erbkrankheiten wie das Angelman-Syndrom entstehen.

Bei etwa 60 bis 80 Prozent der Betroffenen des Angelman-Syndroms liegt eine Deletion in einem bestimmten Abschnitt auf dem mütterlichen Chromosom 15 vor. Es handelt sich dabei um einen Verlust von genetischem Material. Bei etwa sechs Prozent ist ein Imprintingdefekt verantwortlich: Hierbei hat das mütterliche Chromosom eine väterliche Prägung. In etwa fünf Prozent der Fälle ist das UBE3A-Gen selbst mutiert. In seltenen Fällen (etwa ein Prozent) liegen zwei väterliche Chromosomen 15, aber kein mütterliches Chromosom 15 vor (paternale uniparentale Disomie). Zudem gibt es Fälle, in denen keine Störungen des Erbguts nachweisbar sind.

Symptome des Angelman-Syndroms: Kinder lächeln häufig

Kinder mit dem Angelman-Syndrom zeigen Symptome einer Entwicklungsverzögerung und einer Intelligenzstörung. Sowohl geistig als auch körperlich entwickeln sie sich nicht altersgemäß.

  • Motorische Entwicklungsverzögerung: Eine verzögerte motorische Entwicklung macht sich beim Umdrehen, Sitzen und Gehen bemerkbar. Die Schwierigkeiten kommen zum Beispiel durch eine gestörte Bewegungskoordination (Ataxie) mit unkontrollierten Bewegungen und durch eine verminderte Muskelspannung zustande. Häufig zeigen Betroffene einen steifen und breitbeinigen Gang. In schweren Fällen können die Kinder erst in einem Alter von sechs bis acht Jahren laufen.

  • Fehlende oder unzureichende Sprachentwicklung: Im frühen Alter äußert sich die verzögerte Sprachentwicklung durch weniger Brabbeln und Gurren als bei Gleichaltrigen. Zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr zeigt sich, dass die Kinder keine aktive Sprache entwickeln oder nur Ein-Wort-Sätze sprechen. Sie können Sprache verstehen, sich selbst aber kaum artikulieren. Einige Kinder drücken sich mit non-verbaler Kommunikation aus, andere haben bereits Probleme damit, einen kommunikativen Blickkontakt herzustellen.

  • Unmotiviertes Lächeln: Das in der Allgemeinheit bekannteste Symptom des Angelman-Syndroms ist der ausgeprägt glückliche Geschichtsausdruck der Kinder mit häufigem Kichern und Gurgeln. In einigen Fällen kommt es auch zu einem anfallartigen Lachen ohne ersichtlichen Grund – möglicherweise begleitet von einer herausgestreckten Zunge. Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, wieso Kinder mit Angelman-Syndrom häufig lächeln oder lachen. Vermutet wird, dass diese Grimassen die einzige Möglichkeit darstellen, Emotionen zum Ausdruck zu bringen.

Weitere Symptome des Angelman-Syndroms sind:

  • Hyperaktivität

  • Schlafstörungen

  • Autismus

  • frühkindliche Epilepsie (Krampfanfälle)

  • frühkindliche Fütterungsstörung

  • Abweichungen von der normalen Gesichtsanatomie (Gesichtsdysmorphien) erst nach dem Kleinkindalter (zum Beispiel breiter Mund, ausgeprägte Kiefer, herausgestreckte Zunge)

  • okulokutaner Albinismus (helle Augen, Haut und Haar)

  • Schielen (Strabismus)

  • vermindertes Schmerzempfinden

  • sekundäre Mikrozephalie (kleinerer Kopfumfang)

Wie stark ausgeprägt die Krankheitszeichen sind, hängt von der Ursache ab. Ist eine Deletion – also der Verlust eines DNA-Abschnitts – für das Angelman-Syndrom verantwortlich, sind die Krankheitszeichen meist am stärksten.

Anzeichen: Wie und wann lässt sich das Angelman-Syndrom erkennen?

Jedes Kind entwickelt sich in seinem individuellen Tempo. Eltern müssen daher nicht gleich eine Entwicklungsstörung vermuten, wenn das Kind später als andere das Laufen oder Sprechen lernt. Sollte aber die Sorge bestehen, dass sich das Kind nicht altersgemäß entwickelt, ist kinderärztlicher Rat einzuholen. Auch die Vorsorgeuntersuchungen sollten stets wahrgenommen werden, um die körperliche und geistige Entwicklung kontrollieren zu lassen.

Folgende Anzeichen können in den verschiedenen Entwicklungsphasen auf das Angelman-Syndrom hinweisen:

  • Schwangerschaft und Geburt: Sowohl die Schwangerschaft als auch die Geburt verlaufen normal – es kommt nicht häufiger zu Komplikationen.

  • Neugeborenes: Nach der Geburt zeigen sich keine Auffälligkeiten bei Größe, Gewicht und Apgar-Score.

  • Baby: Im ersten Lebensjahr wird die Diagnose Angelman-Syndrom nur selten gestellt. Es gibt zwar Hinweise auf die Erkrankung, aber diese können auch andere Ursachen haben. Dazu gehören zum Beispiel Probleme beim Saugen oder Schlucken und häufiges Spucken. Das auffällige Lächeln zeigt sich etwa mit drei Monaten, zwischen dem sechsten und dem zwölften Lebensmonat machen sich Verzögerungen in der motorischen Entwicklung bemerkbar. Selten treten schon im ersten Lebensjahr Krampfanfälle auf.

  • Kleinkind: Im Alter von ein bis drei Jahren werden die Entwicklungsverzögerungen deutlicher. Die fehlende Sprachentwicklung äußert sich, ebenso die Schwierigkeiten beim Laufen lernen. Kinder zeigen sich oft überreizt und können sich kaum konzentrieren. Sie sabbern viel und ihre orale Phase, in der sie Gegenstände in den Mund nehmen, hält wesentlich länger an.

  • Kind: Im Alter von vier bis 12 Jahren zeigen sich Symptome der geistigen und körperlichen Beeinträchtigung ebenfalls durch die verzögerte Entwicklung in puncto Motorik und Kommunikation. Auch Krampfanfälle und Schlafstörungen können zusätzlich vorkommen.

Diagnose des Angelman-Syndroms

Um Entwicklungsverzögerungen festzustellen, werden in der kinderärztlichen Praxis Untersuchungen durchgeführt, die Aufschluss über den körperlichen und geistigen Entwicklungsstand geben. Dazu gehören unter anderem eine körperliche Untersuchung sowie eine Begutachtung von motorischen und sprachlichen Fähigkeiten. Auch das EEG (Elektroenzephalogramm) dient der Diagnose. Hierbei wird die Gehirnaktivität gemessen: Bestimmte Muster lassen auf das Angelman-Syndrom schließen.

Besteht der Verdacht, dass es sich um das Angelman-Syndrom handelt, wird eine molekulargenetische Untersuchung durchgeführt. Bei der sogenannten Methylierungsanalyse wird die Modifikation der Erbsubstanz untersucht. Dafür eignet sich DNA aus dem Blut oder der Mundschleimhaut. Ein normales Testergebnis schließt das Angelman-Syndrom nicht aus, da zum Beispiel UBE3A-Mutationen das Methylierungsmuster nicht verändern. In solchen Fällen kann etwa eine UBE3A-Mutationsanalyse folgen. Gegebenenfalls wird auch die DNA der Eltern untersucht. Bei einer auffälligen Methylierung wird die konkrete molekulargenetische Ursache festgestellt, um Aufschluss über das Wiederholungsrisiko zu erhalten.

Therapie: Wie wird das Angelman-Syndrom behandelt?

Als genetisch bedingte Erkrankung ist das Angelman-Syndrom nicht heilbar, da die Ursache nicht behoben werden kann. Therapien dienen dazu, die individuellen Symptome bedarfsgerecht zu lindern und sind daher ausgesprochen wichtig.

  • Frühförderung (Förderung für behinderte Kinder bereits ab der Geburt)

  • Physiotherapie (Förderung der Bewegung)

  • Logopädie (Förderung der Sprache)

  • Ergotherapie (Förderung von selbstständigen Aktivitäten)

  • Motopädie (Förderung der Psychomotorik)

  • medikamentöse Therapie (zum Beispiel Antiepileptika bei Krampfanfällen)

Verlauf und Prognose des Angelman-Syndroms

Die Lebensdauer der betroffenen Kinder ist nicht eingeschränkt. Durch die entsprechenden Therapien kann ihre Entwicklung positiv beeinflusst werden: Die Kinder werden in ihrer Selbstständigkeit gefördert und können Alltägliches wie das Anziehen der Kleidung oder das Essen selbst bewerkstelligen.

Kinder mit dem Angelman-Syndrom können Kindergärten und Schulen besuchen, die speziell auf ihre Bedürfnisse angepasst sind: integrative Kindergärten mit entsprechenden Fachkräften und einer geeigneten Gruppengröße und sonderpädagogische Förderschulen mit bedarfsgerechten Fördermitteln – etwa für die Bewegung oder die Kommunikation. Welche Bildungsform geeignet ist, hängt auch davon ab, wie stark die Symptome ausgeprägt sind und muss daher individuell festgestellt werden.

Angelman-Syndrom: Hilfe für Eltern

Eltern von Kindern mit dem Angelman-Syndrom müssen sich darauf einstellen, dass ihr Kind ein Leben lang auf Hilfe angewiesen ist und unter einer schweren Behinderung leiden wird.

Der familiäre Alltag kann durch die Schlafstörungen oder die Hyperaktivität des Kindes zusätzlich sehr belastend sein. Hinzu kommen herausfordernde Situationen, etwa weil die Kinder Gefahren nicht richtig einschätzen können oder aggressiv oder autoaggressiv reagieren, um sich auszudrücken. Daher ist es besonders wichtig, dass Angehörige Hilfe in Anspruch nehmen. Dies können entsprechende Therapien sein oder auch der Austausch mit anderen Eltern.

Passende Informationen stellt der Selbsthilfeverein Angelman e.V. zur Verfügung. Eine Übersicht zu den Hilfen erhalten Interessierte hier auf der Website des Vereins.

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