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Doktorarbeit in Naturwissenschaften

Hallo!
Es ist schon ein paar Monate her, dass ich mit der Dipl-Arbeit fertig wurde. Momentan bin ich noch mit meiner 10 Monate alten Tochter zu Hause, möchte aber nächstes Jahr gerne pomovieren (Molekularbiologie). Am liebsten wäre mir eine halbe Stelle, da ich meine Kleine nicht den ganzen Tag abgeben möchte. Kennt sich jemand von Euch da aus, ob es überhaupt möglich ist, halbzeit im Labor zu arbeiten? Wo sind die Chancen besser, an der Uni oder in der freien Marktwirtschaft? Ich wäre für ein paar Tips sehr dankbar.
LG
Uhura
Bisherige Antworten

Re: Doktorarbeit in Naturwissenschaften

Meine Diss in Physik ist schon länger her, damals war es an der Uni selbstverständlich, dass man mit einer halben Stelle trotzdem weit (!) über 40 Stunden gearbeitet hat. Es kann aber gut sein, dass sich aufgrund von Nachwuchsproblemen die Zeiten geändert haben. Bei uns war es so, dass der Arbeitsdruck in den Gruppen am größten war, die die wissenschaftlich interessantesten Dinge machten (wegen Konkurrenzdruck).
Erkundige dich mal bei Doktoranden, wie das in der Realität bei denen aussieht - denn was auf dem Papier steht und was im Vertrag, kann gerade im wissenschaftlichen Bereich sehr verschieden sein.
Jennifer.

Re: Doktorarbeit in Naturwissenschaften

Hi Uhura,
ich muss mich anschliessen. In der Biologie eine halbe Stelle zur Promotion zu haben, bedeutet so ca. 60 h/Woche arbeiten... Das ist ganz normal. Du wirst sicher ein bißchen suchen müssen, um jemanden zu finden, der Dich mit einem halben Tag im Labor promovieren lässt. Ich würde denken, theoretisch ist das möglich, dann kannst Du aber mindestens 6 Jahre Promotion und vielleicht eine Viertelstelle bezahlt einkalkulieren...
Mit diesem Anspruch würde ich mich überall bewerben, Uni + Industrie, denn die Chance jemanden zu finden der das macht dürfte gering genug sein (aber wieso nicht....vielleicht gibt es jemanden, der so ein Arrangement eingeht).
Ich bin Biologin in der Industrie und betreue selbst (früher auch an der Uni) und muss sagen, dass ich wahrscheinlich nicht darauf eingehen würde. Aus dem einfachen Grund, dass wissenschaftliches Arbeiten oft einfach seine Zeit braucht (im Labor kriegst Du in 4 Stunden nichts richtig geschafft, da kannst Du ja kaum ein Gel laufen lassen). Dann sollen Doktoranden ja auch bei der Lehre unterstützen, wie willst Du ein Praktikum in 4 Stunden betreuen? Dann wird längst nicht alles so klappen, wie man das gerne hätte. Ich hab' meine Ergebnisse in 4 1/2 Jahren 60-80 h/Woche gerade so hingekriegt. Was ich machen würde, wäre jemanden auf einer halben Stelle mit exakten 40 Stunden zu betreuen. Von einer jungen Mutter würde ich nicht die "Mehrarbeit" erwarten.
Wissenschaft ist (leider) kein Halbtagsjob. Ich arbeite wieder Vollzeit seit mein Sohn Aaron 3 Monate alt ist. Anders kann ich meinem beruflichen Anspruch nicht gerecht werden.
Die gute Nachricht ist: ich habe aber trotzdem das Gefühl meinem Sohn gerecht zu werden. Er ist sehr gut betreut durch eine wunderbare Tagesmama und die Omas. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander und verbringen eben jede freie Minute sehr intensiv miteinander.
Wie gesagt Uhura, ich würde nicht die Flinte ins Korn werfen, bevor Du es nicht wenigstens versucht hast.
Alles Gute
Hermie

Re: Doktorarbeit in Naturwissenschaften

Hallo!
Ich danke Euche für die Antworten. Das hört sich wirklich alles nicht so gut an. Aber ich habe mir sowas schon gedacht. Werde es trotzdem versuchen. Glück gehört bestimmt auch dazu.
Noch mal vielen Dank!
Uhura

Re: Doktorarbeit in Naturwissenschaften

Hallo Uhura,
ich habe in Biologie promoviert, hatte eine halbe Stelle (wie üblich) und eine 60-Stunden-Woche (auch wie üblich). Hinsichtlich einer Promotion im Bereich Biologie mit einer tatsächlichen halben Stelle sehe ich 2 Hauptprobleme:
1. Mit einer Halbtagsstelle (etwa 4-5 Stunden pro Tag) lässt sich fast kein (molekularbiologischer) Versuch durchführen. Du müsstest immer jemanden finden (TA oder andere Kollegen), der deinen Versuch zu Ende durchführt (Gel aus der Kammer holt etc.). Darauf wird sich kaum ein Chef einlassen. Und auf Dauer gibt das sicher auch Stress im Labor (wer macht schon immer die Arbeit für andere mit).
2. Die Gelder sind in der Biologie so knapp kalkuliert, dass halbe Stellen immer mit Vollzeit arbeitenden Doktoranden besetzt werden. Offiziell wird dies damit begründet, dass die Promotion ja zur Ausbildung gehört. Man bekommt also eine halbe Stelle als wissenschaftlicher Angestellter und "darf" zusätzlich weitere 20-40 Stunden pro Woche für seine eigene Weiterbildung arbeiten. Wenn ein Chef nun eine halbe Stelle tatsächlich nur mit einer halbtags arbeitenden Kraft besetzt, wird er dadurch erhebliche Nachteile haben (weniger Ergebnisse, weniger Publikationen etc.).
Ich denke aber, es gibt trotzdem Möglichkeiten. Zunächst einmal solltest du dir allerdings über deine Motivation für die Promotion im Klaren sein. Für uns Biologen gibt es eigentlich nur 2 Wege nach der Promotion: 1. im universitären Bereich bleiben und weiter die Karriereleiter raufsteigen (erst PostDoc dann Professur) oder 2. aussteigen (Job in der Wirtschaft suchen etc.). Willst du den Weg Nr. 1 nach der Promotion einschlagen, dann musst du dir darüber im Klaren sein, dass spätestens nach der Promotion die 40-60 Stunden Woche auf dich lauert. Mit weniger Stunden ist man meiner Meinung nach nicht konkurrenzfähig und wird nicht in angemessener Zeit (6 bis max. 12 Jahre befristete Verträge, dann ist Schluss. Hochschulrahmengesetz!) so viele Ergebnisse und Veröffentlichungen bekommen, dass man einen Ruf erhält. Bevorzugst du Weg Nr. 2, so solltest du prüfen, ob die von dir ins Auge gefassten Alternativen nicht auch ohne Promotion möglich sind. Vielleicht findest du ja jetzt schon einen Halbtagsjob in einem Labor, für den du keine Promotion brauchst?
Vielleicht treibt dich aber auch die reine Lust am Forschen und an der Wissenschaft zur Promotion und die Berufsaussichten danach sind für dich jetzt erst einmal nebensächlich. Dann würde ich nicht davon ausgehen, dass es irgendwo die ideale Promotionsstelle für dich gibt. Die wird es aus oben genannten Gründen eher nicht geben. Evtl. bist du ja mit Mann und Kind auch örtlich gebunden, was die Suche enorm einschränken würde. Wenn du also den festen Wunsch zu promovieren hast, die ideale Stelle aber nicht für dich angeboten werden wird, dann musst du eine andere Strategie fahren. Du brauchst zunächst einmal ein klares Konzept und dann jemanden, der dies finanziert.
Zum Konzept: Wichtig ist, dass die Kinderbetreuung gut organisiert ist. Deine Chancen sind viel besser, wenn du sagen kannst "Ich stelle mir meine Arbeitszeiten so und so vor und für die Kinderbetreuung ist dann gesorgt." als wenn deine Antwort lautet "Ich weiß noch nicht so recht, wie wir das dann machen sollen.". Ich persönlich würde ins Auge fassen, statt halbtags vielmehr an 3 Tagen in der Woche ganztags im Labor zu arbeiten z.B. Di, Mi und Do (Montags ist eher schlecht, da müssen immer die Zellkulturen etc. versorgt werden und freitags ist auch nicht so toll, weil dann samstags nur selten jemand im Labor ist, der z.B. deine über Nacht gelaufenen PCRs in den Kühlschrank stellt etc.). Vielleicht kannst du die Arbeitszeiten mit dem Papa abstimmen (z.B. du arbeitest von 9.00 bis 18.00 und der Papa fängt früher an und hört dafür früher auf. Umgekehrt wäre vermutlich nicht so gut, da häufig am späten Nachmittag wichtige Vorträge und Seminare laufen). Das würde die Fremdbetreuungszeiten weiter reduzieren. Du könntest zusätzlich zu Hause die Paper lesen bzw. Publikationen schreiben (darauf sollten potentielle Chefs hingewiesen werden).
Zur Finanzierung: Hier würde ich vermutlich am ehesten ein Stipendium ins Auge fassen. Es gibt spezielle Promotionsstipendien für Frauen, die den wissenschaftlichen Wiedereinstieg ermöglichen , bzw. Stipendien, die bei der Vereinbarkeit von Familie und Karriere weiterhelfen sollen. Auskünfte dazu erteilt dir sicherlich die Gleichstellungsbeauftragte deiner Uni. Mit einem Stipendium bist du auch örtlich nicht so festgelegt. Du müsstest zunächst einmal schauen, welches Stipendium für dich in Frage käme. Dann müsstest du ein Institut suchen, welches bereit wäre, dir einen Laborplatz etc. zur Verfügung zu stellen und dessen Chef deine Arbeit wissenschaftlich betreut. Bei den meisten Förderstellen ist dies Vorbedingung für die Beantragung eines Stipendiums.
Ein paar Infos findest du auch in der Broschüre der Uni Dusburg/Essen: http://www.uni-duisburg-essen.de/imperia/md/content/fb5_2/broschuere.pdf
Viel Glück und alles Gute,
Viola, die ihre Bewerbung für den Ausstieg abgeschickt hat (siehe http://kind.qualimedic.de/Q-7230280.html)

Re: Umstieg

Liebe Viola,
ich drücke Dir die Daumen, dass es mit dem
Einstieg ins Referendariat gut läuft!
Lg, Annette

Re: Doktorarbeit in Naturwissenschaften

Hallo Viola!
Vielen Dank für Deine sehr ausführliche und informative Antwort! Das hilft mir wirklich weiter. Ich antworte Dir erst so späte, weil bei uns in den letzten Tagen alles drunter und drüber ging.
Was meine Motivation angeht, ist es wohl die Lust am Forschen. Ich habe bereits während des Studiums im Labor gearbeitet und beschlossen, dass es das ist, was ich später machen möchte. Ich sehe ein, dass es schwer sein dürfte, so eine Stelle zu finden.
Das mit dem Stipendium hört sich auf jedem Fall sehr interessant an. Ich werde mir die Broschüre durchlesen und dann überlegen, was ich in dieser Richtung unternehmen kann.
Ich muss mir das ganze auf jedem Fall durch den Kopf gehen lassen. Vielleicht finde ich ja auch etwas interessantes in der freien Marktwirtschaft, ohne zu promovieren.
Ich wünsche Dir viel Glück bei deinem Referendariat!!
Und noch mal Danke!
Viele Grüße
Uhura
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