Kindliche Sexualität: Mit Neugier auf Entdeckungstour
Die kindliche Sexualität ist für viele Erwachsene ein Tabuthema. Eltern sind sich unsicher, wie sie damit umgehen und reagieren sollen. Gelassen über kindliche Sexualität zu reden, fällt häufig nicht leicht. Doch dabei ist genau das besonders wichtig.
Die Erkenntnis, dass ein Baby beim Wickeln plötzlich eine Erektion hat, überrascht viele Eltern. Die Vorstellung, dass der dreijährige Sohn am Mittagstisch mit seinem Geschlechtsteil spielt oder die vierjährige Tochter den Kindergartenfreud in der Kuschelecke untersucht, schockiert die meisten. Wenn es um den Umgang mit kindlicher Sexualität geht, sind Eltern oft überfordert. Dabei ist all das ganz normal und natürlich. „Kinder sind von Anfang an sexuelle Wesen. Wenn ihre motorischen Fähigkeiten mit etwa zwei Jahren so weit sind, fangen sie gezielt an, sich für ihren Körper zu interessieren“, erklärt Sexualpädagoge Michael Hummert vom Institut für Sexualpädagogik und sexuelle Bildung. „Trotzdem reagieren Erwachsene in solchen Situationen besonders. Kinder merken das sofort. Dabei ist es wichtig, den Kindern ein gutes, positives Körpergefühl zu vermitteln.“
Kindliche Sexualität - Definition: Was das Thema für Eltern so schwierig macht
Dass es Eltern schwer fällt, über kindliche Sexualität zu reden und in solchen Situationen gelassen zu reagieren, hat einen einfach Grund: Erwachsene haben ein bestimmtes Bild und eine eigene Definiton von Sexualität im Kopf. Die Welt wieder mit Kinderaugen zu sehen und sie zu verstehen, ist gar nicht so einfach. „Eltern müssen die Erwachsenenbrille absetzen. Denn kindliche Sexualität und Erwachsenensexualität unterscheiden sich grundlegend voneinander. Man kann das nicht miteinander vergleichen. Während Sexualität für uns Erwachsene auf ein Ziel oder eine Befriedigung ausgerichtet ist, sind Kinder meist einfach nur neugierig. Für sie ist es etwas Spontanes und Spielerisches, das auf sie selbst bezogen ist“, erläutert der Sexualpädagoge.
Kindliche Selbstbefriedigung: Wie Eltern am besten damit umgehen
Kindliche Sexualität gehört zur Entwicklung. Kinder haben einen natürlichen Entdeckungsdrang – sie möchten etwas über ihren eigenen Körper erfahren und fangen deshalb an, ihn zu erkunden und sich überall anzufassen. Dazu gehört auch die frühkindliche Selbstbefriedigung. Wenn Kinder sich an ihren Geschlechtsteilen reiben, ist das für Eltern erst einmal verwirrend und sie sind verunsichert: „Warum macht mein Kind das? Ist das in Ordnung? Muss ich mir Sorgen machen? Kann das irgendwelche negativen Auswirkungen auf die Entwicklung haben?“ – all diese Fragen schwirren Erwachsenen sofort im Kopf herum. „Das ist total normal“, beruhigt der Experte. Kinder machen das nicht, weil sie wie Erwachsene das Ziel eines Orgasmus verfolgen. Sie merken einfach nur, dass es ein schönes Gefühl verursacht und es ihnen Spaß macht. Für sie kann diese kindliche Selbstbefriedigung auch ein Ritual zum Einschlafen oder Stressabbau werden. Sorgen müssen sich Eltern deshalb nicht machen – egal, ob das eigene Kind weniger Interesse am eigenen Körper zeigt oder sich sehr häufig selbst berührt. „Eltern sollten das nicht negativ kommentieren oder zu stark darauf reagieren und ihren Kindern dadurch ein schlechtes Gewissen machen. Betrachten Sie es als ein normales Spiel“, rät Hummert.
Kinder entwickeln erst zwischen dem fünften und siebten Lebensjahr ein Schamgefühl. Es kann also passieren, dass ein Kind sich in der Öffentlichkeit selbst befriedigt. Wenn andere Erwachsene dabei sind, empfinden Eltern diese Situation oft als peinlich. Jetzt geschockt oder wütend zu reagieren, würde dem Kind aber nur vermitteln, dass es etwas Falsches und Verbotenes tut. „Eltern sollten das Thema handhaben, wie andere Familienregeln auch – zum Beispiel das Popeln in der Nase beim Essen. Auf dem Spielplatz können Sie Ihrem Kind ruhig sagen: ‚Ich möchte nicht, dass Du das hier machst, Du kannst das zu Hause wieder tun.’“, rät der Sexualpädagoge.
Nackedei: Kindliche Sexualität und die Nacktheit
Genau wie mit Sexualität wird auch mit dem Nacktsein in jeder Familie anders umgegangen – abhängig von sozialen, kulturellen und religiösen Hintergründen. Grundsätzlich haben kleine Kinder Interesse daran, nackt herumzulaufen: „Es fühlt sich einfach anders an als mit Windeln und Kleidung. Eltern können da so entspannt sein, wie es geht,“ rät Hummert. „Möchte sich Ihr Kind aber zum Beispiel im Bus ausziehen, können Sie ruhig sagen, dass das hier nicht angebracht ist.“ Wann Kinder ein Schamgefühl entwickeln, ist individuell ganz unterschiedlich: Manche Kinder möchten sich früher als andere nicht mehr in der Öffentlichkeit umziehen. „Egal, ob Schamlosigkeit oder Schamhaftigkeit, beides kann Eltern auch mal stressen – zum Beispiel, wenn Sie im Schwimmbad extra in eine Umkleidekabine ans andere Ende der Wiese laufen müssen,“ berichtet Hummert. Trotzdem gilt: „Berücksichtigen Sie die Schamgrenze Ihres Kindes und akzeptieren Sie seinen Wunsch nach Intimität.“
Gemeinsam in die Badewanne – erlaubt oder tabu?
„Zusammen baden? Das ist gar nicht so einfach zu beantworten“, gesteht Hummert. „Grundsätzlich ist das schon in Ordnung, aber Eltern müssen selbst entscheiden, was für sie das Richtige ist. Wenn das Baden einfach Freude macht und nichts mit Erregung des Erwachsenen zu tun hat, spricht nichts dagegen. Aber Eltern müssen sich darauf einstellen, dass Kinder anfangen Fragen zu stellen oder auch aus Neugierde die Geschlechtsteile der Eltern berühren wollen.“ Für Kinder, die ihre Eltern aus ihrer Neugier heraus anfassen möchten, ist es nicht automatisch verständlich, warum sie genau diese Körperteile nicht berühren dürfen. Eltern sollten ihrem Kind erklären, dass sie das als Erwachsener nicht möchten. „Hier eine Grenze zu setzen, ist vollkommen in Ordnung“, bestätigt der Sexualpädagoge.
Kindliche Sexualität: Wenn Kinder Doktor spielen
Für Kinder ist es nicht nur interessant, das eigene Geschlecht zu erforschen, auch der Unterschied zum anderen Geschlecht macht sie neugierig. Ganz nach dem Motto: Was hat der/die, was ich nicht habe. Mit der Sexualität Erwachsener hat dieses Erkundungsverhalten nichts zu tun. Die sogenannten Doktorspiele (also kindliche Rollenspiele) mit Gleichaltrigen sind ebenfalls normal. „Ob Kinder Interesse daran haben, ist ganz unterschiedlich und hängt nicht mit der Sexualerziehung zusammen. Manche interessieren sich dafür einfach mehr als andere“, erklärt Sexualpädagoge Hummert.
Wer sein Kind bei einem Doktorspiel „erwischt“, ist meist dennoch sehr schockiert. „Es ist vollkommen normal im ersten Moment so zu reagieren, aber man sollte dem Gefühl nicht länger nachgeben. Wenn Eltern aufgebracht und wütend sind oder die Doktorspiele verbieten, werden die Kinder es trotzdem machen. Sie lernen dabei nur, dass sie es heimlich tun müssen und den Eltern davon nichts erzählen dürfen. Das sollte auf keinen Fall passieren, damit Ihr Kind kommunikationsfähig bleibt. Nur so wird es sich Ihnen anvertrauen, wenn mal etwas gegen seinen Willen passiert ist. Beobachten Sie die Situation lieber und stellen Sie fest, ob die Kinder zufrieden sind und alles angemessen ist, also zum Beispiel keine Macht- und Altersunterschiede vorliegen. Erklären Sie Ihrem Kind danach, dass solche Spiele nur ok sind, wenn beide das möchten und das nichts in Körperöffnungen eingeführt werden darf“, rät Hummert. Einschreiten sollten Sie dann, wenn eine Verletzungsgefahr droht oder Gewalt im Spiel ist.
Kindliche Sexualität: Wie Eltern Kinder für die Zukunft stark machen
Eine große Sorge vieler Eltern ist, dass ihr Kind Opfer von sexuellen Übergriffen durch andere Kinder werden könnte. Michael Hummert erklärt: „Grundsätzlich verhindern und sein Kind zu hundert Prozent davor schützen können Sie zwar nicht, aber Sie haben die Möglichkeit, Ihr Kind selbstbewusst zu stärken. Seien Sie eine Vertrauensperson – ein Ansprechpartner, bei dem es keine Angst haben muss, über solche Themen zu sprechen. Die Sprachkompetenz – also die Kenntnisse und die Namen von den Geschlechtsteilen und das angstfreie darüber sprechen können – ist überhaupt sehr wichtig. Ihr Kind sollte die Geschlechtsteile benennen können, damit es die Fähigkeit besitzt, mit Ihnen darüber zu reden.“
Hilfe für Eltern bei Fragen zur kindlichen Sexualität
Im Umgang mit kindlicher Sexualität lockerbleiben und trotzdem nicht die Augen verschließen – das hört sich viel einfacher an als es tatsächlich ist. Auch Michael Hummert weiß: „Die Ratschläge bei den eigenen Kindern umzusetzen, ist viel schwieriger.“ Sprechen Sie deshalb mit anderen Eltern – zum Beispiel aus dem Freundeskreis oder beim Elternabend. Sie werden feststellen, dass Sie nicht alleine vor diesen Herausforderungen stehen und mit den kindlichen Verhaltensweisen konfrontiert sind. Auch der Sexualpädagoge empfiehlt: „Tauschen Sie sich mit Eltern aus und wenden Sie sich bei Fragen an die Erzieherinnen oder Erzieher in Ihrem Kindergarten.“ Die Pädagoginnen oder Pädagogen in Ihrer Kinderbetreuung wurden für das Thema geschult, haben Erfahrung, kennen und beobachten das Verhalten Ihres Kindes und sind dazu in der Lage, auch in schwierigen Situationen Elterngespräche zu führen.
Expertenrat: Diplompädagoge Michael Hummert arbeitet als Sexualpädagoge in der Schwangerschaftsberatung des Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Münster und leitet am Institut für Sexualpädagogik unter anderem Weiterbildungen für Pädagoginnen und Pädagogen zur Prävention sexueller Gewalt.
-
Trockenwerden
Hallo ihr Lieben, Mein kleiner Großer ist nun endlich trocken. Ich bin so stolz und...
13.08.2020, 20:58 Uhr -
Corona - Wut zum Thema Altersdiskriminierung
Hallo liebe Eltern, Oh man was bin ich heute sauer, ich muss unbedingt Mal Dampf...
14.04.2020, 22:19 Uhr -
Sprechen lässt auf sich warten...
Hallo ihr Lieben, war ja schon lange nicht mehr hier und vielleicht ist ja doch...
13.03.2020, 09:36 Uhr