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Zu viel des Guten

Helikopter-Eltern: Wie schädlich ist Überfürsorge?

Sie planen den Alltag ihrer Kinder bis ins letzte Detail, kutschieren ihren Nachwuchs mit dem Auto bis zum Schultor und verwenden ihren Jahresurlaub, um mit dem Sprössling für seine Klassenarbeiten zu lernen: Helikopter-Eltern umkreisen ihre Kinder wie ein Hubschrauber. Kann diese Überbehütung die kindliche Entwicklung beeinträchtigen?

Helikopter-Eltern
© Getty Images/Oliver Rossi

Fürsorglichkeit ist keine Eigenschaft, für die sich Mütter und Väter schämen müssten. Selbstverständlich sollten Eltern aufpassen, dass ihr Kind den Topf mit kochendem Wasser nicht vom Herd zieht und in greifbarer Nähe stehen, wenn der Nachwuchs das erste Mal auf den großen Baum klettert. Doch ab wann wird aus Fürsorge Überbehütung? Und wie schädlich ist das Verhalten von Helikopter-Eltern tatsächlich für ihre Kinder? Wir gehen der Sache auf den Grund und haben für dich mit einem Experten gesprochen.

Artikelinhalte im Überblick:

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Was sind Helikopter-Eltern?

Als Helikopter-Eltern werden überfürsorgliche, ängstliche und sehr ehrgeizige Mütter und Väter bezeichnet, die ihre Kinder nicht aus den Augen lassen: Sie denken für sie, fühlen für sie, begleiten sie auf Schritt und Tritt. Helikopter-Eltern versuchen ihre Kinder zu behüten, indem sie diese überwachen, kontrollieren und in Watte packen. Besonders großen Wert legen Helikopter-Eltern auf die Leistungen der Kinder – etwa im Sport oder in der Schule.

Im Englischen sind die Begriffe „helicopter parents“ oder „paranoid parents“ (übersetzt: paranoide Eltern) geläufig. Noch extremer als Helikopter-Eltern sind die sogenannten Rasenmäher- oder Schneepflug-Eltern, die ihren Kindern alle Hindernisse vorauseilend aus dem Weg räumen.

Helikopter-Eltern: Ursachen für das Verhalten

Alle Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder. Doch bei Helikopter-Eltern ufert dieser Wunsch in Überbehütung aus. Die Gründe dafür können individuell ganz unterschiedlich sein. Zum Beispiel:

  • Ängste: Viele Helikopter-Eltern haben Angst vor den möglichen Bedrohungen der Umwelt – zum Beispiel den Autos auf der Straße oder der Höhe des Klettergerüsts.

  • Zukunftssorgen: Die Ängste der Helikopter-Eltern können die weitere Zukunft betreffen. Sie machen sich Sorgen, dass ihr Kind das Abitur nicht schafft und beruflich später auf der Strecke bleibt oder dass es an die falschen Freunde und auf die schiefe Bahn gerät.

  • Leistungsgedanken: Einige Helikopter-Eltern betrachten ihr Kind als eine Art „Projekt“, das gelingen muss. Dies könnte möglicherweise vor allem bei Einzelkindern der Fall sein, denn dann gibt es „nur“ das eine Kind, das alle Ansprüche der Eltern erfüllen soll.

  • Eigene Kindheitserfahrungen: Gegebenenfalls haben betroffene Eltern in ihrer Kindheit selbst Vernachlässigungen erfahren und möchten es nun unbedingt besser machen. Sie nehmen nicht wahr, dass sie dabei aber über das Ziel hinausschießen.

Helikopter-Eltern: Beispiele für „helicopter parenting“

In der Beratungsstelle spricht Diplom-Sozialpädagoge Ulric Ritzer-Sachs von der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V. oft mit Eltern, die ihre Kinder mit dem „Elterntaxi“ zur Schule bringen und ihnen den Ranzen bis ins Klassenzimmer tragen. „Der Achtjährige darf nicht alleine zum Bäcker oder die 14-Jährige nicht mit dem Fahrrad zum Ballett“, erzählt der Berater von Beispielen für Helikopter-Eltern. „In zwei absoluten Extremfällen schlief die 17-jährige Tochter im Bett der Mutter und der 18-jährige Sohn ließ sich von seinen Eltern immer noch die Schuhe binden."

Ab wann der Begriff „Helikopter-Eltern“ tatsächlich zutrifft, ist nicht definiert. Unter anderem werden den Eltern folgende Verhaltensweisen in ihrem Erziehungsstil zugeschrieben:

  • Kinder nicht zur Selbstständigkeit erziehen: Ein gutes Beispiel für das typische Verhalten von Helikopter-Eltern ist der Schulweg des Kindes. Bereits im Jahr 2012 hat eine Forsa-Studie auf die Entwicklung der „Generation Rücksitz“ aufmerksam gemacht. Während 1970 noch 91 Prozent der Grundschüler*innen in Deutschland ihren Schulweg alleine bestritten, waren es zum Zeitpunkt der Erhebung nur 50 Prozent. Eine Entwicklung, die Verkehrsexpert*innen und Lehrer*innen ganz und gar nicht gefällt. „Kinder sollten zur Selbstständigkeit erzogen werden – auch im Straßenverkehr“, bestätigt Ulric Ritzer-Sachs. „Die Angst der Eltern ist aber einfach zu groß. Sie empfinden den Schulweg subjektiv als zu riskant, weil mögliche Gefahren wie Unfälle oder Übergriffe einem heutzutage stets vor Augen geführt werden.“

  • Alltag durchplanen: Was früher ganz normal war, ist heute eine Rarität: „Das Nachbarskind klingelt nicht mehr zum Spielen an der Tür, sondern die Eltern treffen die Verabredungen für ihre Kinder in WhatsApp-Gruppen“, sagt Ritzer-Sachs. Viele Helikopter-Eltern wollen den Tag der Kinder komplett durchorganisieren, weil sie fürchten, ihr Nachwuchs bliebe sonst auf der Strecke und fände später keinen Job.

  • Förderwahn: Aus dem gleichen Grund neigen Helikopter-Eltern dazu, ihrem Kind möglichst viele Aktivitäten aufzubürden. „Die Kinder müssen zum Sport, ein Instrument lernen und neben Englisch am besten zusätzlich perfekt Japanisch sprechen können“, so der Sozialpädagoge. Bei all den Aktivitäten bleibt kaum Zeit für die Kindheit, in der man auch mal einen Tag einfach vertrödeln darf. Ohne Anleitung durch die Eltern!

  • Kindliche Fähigkeiten nicht unterstützen: Ebenfalls typisch für Helikopter-Eltern: Sie trauen ihrem Nachwuchs nicht zu, dass er angemessene, altersgerechte Tätigkeiten ganz alleine schafft. Den Kindern werden keine eigenständigen Aufgaben übertragen, die sie vor kleine Herausforderungen stellen. Ein Beispiel: Statt das Kind selbst einen Lösungsweg finden zu lassen, um den Reißverschluss seiner Jacke zu öffnen, erledigen die Eltern das einfach.

  • Kontrollzwang: Helikopter-Eltern leben nach dem Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Die Kinder müssen immer überwachbar und 24 Stunden lang für die Eltern erreichbar sein.

Helikopter-Eltern: Auswirkungen auf die Kinder

In Fachkreisen wird vor dem Erziehungsstil der Helikopter-Eltern gewarnt. Mütter und Väter, die jeden Gegenwind für ihre Kinder vermeiden wollen, würden ihren Nachwuchs keineswegs stark für die Zukunft machen. Das Gegenteil sei sogar der Fall: Betroffene würden eher zu Unselbstständigkeit, zu Angstzuständen und Depressionen oder zu Narzissmus und einer falschen Vorstellung von Disziplin neigen. Genaue Zusammenhänge müssen zukünftig in weiteren Studien untersucht werden.

Ritzer-Sachs kennt solche negativen Verhaltensweisen aus seiner Beratung. Regelmäßig melden sich Eltern bei ihm, die im Alltag mit Problemen zu kämpfen haben. „Schuld am schwierigen Sozialverhalten der Kinder sind ihre überbehütenden Eltern. Gerade Helikopter-Eltern fällt es schwer, Grenzen zu setzen, obwohl Kinder einen Rahmen mit Regeln brauchen, in dem sie sich dann selbstständig und frei zu selbstbewussten Persönlichkeiten entwickeln können“, erklärt der Experte.

Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass man Kindern Risiken aussetzen soll. Vielmehr geht es darum, ihre Bedürfnisse zu erkennen und sie in ihrer Autonomie zu födern. „Natürlich ist elterliche Präsenz wichtig, Fürsorge und Aufmerksamkeit bedeutsame Bestandteile der Erziehung. Aber man muss auch Vertrauen in das Kind haben und ihm altersgerechte Freiheiten gewähren. Betreuung darf keine Überbetreuung werden. Eltern können ihren Kindern ruhig etwas zutrauen“, sagt Ritzer-Sachs.

Andernfalls leiden die Kinder später eventuell unter einem mangelnden Selbstwertgefühl, sie werden schüchtern und scheu, können ihren Alltag ohne Hilfestellung nicht bewerkstelligen. „Kinder mit wenig Selbstvertrauen sind außerdem der potenziellen Gefahr ausgesetzt, Opfer von Mobbing zu werden“, sagt der Experte. Ein anderes Extrem ist als Auswirkung ebenfalls denkbar, wie Ritzer-Sachs weiß: „In der Pubertät grenzen sich Kinder von Helikopter-Eltern als Folge vollkommen von ihrem Elternhaus ab.“

Erst gar keine Helikopter-Eltern werden – geht das?

Um dies zu vermeiden, müssen Eltern lernen, sich und ihr Verhalten zu hinterfragen: Was kann mein Kind in seinem Alter bereits alleine? Ist das Maß an Unterstützung tatsächlich altersgerecht? Wie haben meine Eltern das damals bei mir gemacht? Welche Ratschläge geben mir Bekannte? Auch wenn es ein sensibles Thema ist, empfiehlt Ritzer-Sachs, dass Freunde einander ruhig darauf ansprechen dürfen, wenn sie Helikopter-Eltern-Verhalten bemerken. „Vorwürfe sind hier jedoch fehl am Platz. Lieber sollte lediglich eine Beobachtung der Situation mitgeteilt werden.“

Leider merken Eltern eben selbst meist gar nicht, dass sie zu Helikopter-Eltern geworden sind. „Häufig wenden sie sich an die Beratungsstelle mit ganz anderen Problemen und nach einigen Gesprächen kommt heraus, dass eine Überbehütung als Ursache dahintersteckt“, bestätigt Ritzer-Sachs. „Viele Eltern machen zum Beispiel vom ersten Schultag an die Hausaufgaben gemeinsam mit ihrem Kind. Dabei sollte das Kind dies eigentlich alleine erledigen und die Eltern es nur dann dabei unterstützen, wenn ihre Hilfe wirklich gebraucht wird. Erst, wenn Probleme in der Schule auftauchen, merken sie schließlich, dass da vielleicht etwas Grundsätzliches schiefgelaufen ist.“

Helikopter-Eltern: Beratungsstelle für Mütter und Väter

Spätestens, wenn der Alltag durch Probleme stark eingeschränkt ist, sollten sich Eltern professionelle Hilfe suchen. „Mütter und Väter müssen sich nicht dafür schämen, sich mit ihren Sorgen an uns zu wenden. Wir haben für alle Belange ein offenes Ohr und Eltern muss absolut nichts peinlich sein!“, sagt Ritzer-Sachs von der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung. Selbst Mini-Probleme und Alltagsfragen wie „Kann mein Kind sich schon alleine die Fingernägel schneiden?“ können sie den Expert*innen hier bedenkenlos stellen. Auf der Website des Fachverbands finden Eltern dazu sowohl die passende Anlaufstelle vor Ort als auch eine Online-Beratungsmöglichkeit: www.bke-beratung.de.

Eine weitere Hilfemöglichkeit stellt das Elterntelefon dar. Die Beratung der Nummer gegen Kummer ist für Eltern unter der Rufnummer 0800 111 0 550 montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr sowie dienstags und donnerstags bis 19 Uhr kostenlos und anonym erreichbar.

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