Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (LKG)
Die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (LKG) gehört mit 1:500 Fällen zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen in Europa. Je nach Zeitpunkt des Auftretens in der Schwangerschaft werden verschiedene Spaltformen unterschieden.
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- © iStock.com/PeopleImages
Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte bei ihrem neugeborenen Baby stellt für Eltern häufig eine große Belastung dar. Dabei sind die Ursachen von Spalten noch gar nicht eindeutig geklärt. Zudem lassen sich Lippen-Kiefer-Gaumenspalten heute gut durch Operationen beheben. Beteiligt ist meist ein interdisziplinäres Ärzteteam: Kieferorthopäde, HNO-Arzt, Logopäde und Zahnarzt. Es sind in der Regel mehrere Behandlungen nötig, die sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten und Jahren ziehen, denn nicht alle Bereiche können sofort vollständig verschlossen werden, da das Kind noch wächst und das Narkoserisiko für ein Neugeborenes zu groß ist.
Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte kann im Zusammenhang mit Chromosomenstörungen wie Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) oder Trisomie 13 (Pätau-Syndrom) auftreten, meist entwickelt sie sich aber unabhängig von anderen Erkrankungen.
Lippen-Kiefer-Gaumenspalte: verschiedene Spaltformen und Ausprägungen
Unter der Bezeichnung Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (LKG) werden verschiedene Formen der Spalten und deren Erscheinungsbild zusammengefasst, obwohl es sich eigentlich um unterschiedliche Spalt-Formen handelt:
- Lippen-Spalten (L-Spalten)
- Lippen-Kiefer-Spalten (LK-Spalten)
- und/oder Gaumenspalten (G-Spalten)
L-Spalten, also Lippen-Spalten, Lippen-Kiefer-Spalten und Lippen-Kiefer-Gaumenspalten treten wesentlich häufiger auf als Gaumenspalten und betreffen Jungen zwei Mal häufiger als Mädchen. Sie entstehen in der 5. bis 7. Schwangerschaftswoche (gegen Ende des 2. Schwangerschaftsmonats). Gaumenspalten kommen seltener vor, betreffen aber hauptsächlich Mädchen. Sie entstehen in der 10. bis 12. Schwangerschaftswoche (zu Beginn des 3. Schwangerschaftsmonats).
Eine Spalte kann einseitig oder beidseitig auftreten. Mit mehr als 50 Prozent sind Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (LKG) die häufigste Spaltform.
Unterschieden werden drei Spalt-Ausprägungen:
- Mikroform: teilweise Spaltung von Muskulatur/Knochen mit intakter Haut oder Schleimhaut, ggf. ist eine kleine Einziehung sichtbar
- unvollständig: Spaltung der Muskulatur/des Knochens mit teilweise intakter Haut oder Schleimhaut
- vollständig: Spaltung der Muskulatur/des Knochens und der Haut/Schleimhaut
Ursache der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte
Welche Ursache für die Entstehung einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte verantwortlich ist, konnte bislang noch nicht eindeutig geklärt werden. Vielmehr scheinen mehrere Faktoren eine Rolle zu spielen. Als sicher gilt die genetische Veranlagung zur Spaltbildung.
Auch wenn eine genetische Veranlagung zur Entstehung von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten besteht, heißt das aber nicht, dass ein Kind durch "Vererbung" automatisch eine Spalte entwickelt. So beträgt die Wahrscheinlichkeit, mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte auf die Welt zu kommen, vier bis fünf Prozent, wenn eines der Elternteile oder ein Geschwisterkind betroffen ist. Sie liegt damit etwa zwanzig Mal so hoch wie in Familien, in denen bislang noch niemand von einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte betroffen war. Kommt bereits das erstgeborene Kind mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte auf die Welt, liegt das Risiko für alle danach folgenden Kinder der Familie wesentlich höher - bei 13 bis 14 Prozent.
Man geht heute davon aus, dass bestimmte äußere Einflussfaktoren zusammen mit der genetischen Disposition Lippen-Kiefer-Gaumenspalten begünstigen können. Zu den möglichen Einflüssen zählen
- Erkrankungen der Mutter während der Frühschwangerschaft, etwa Röteln
- mangelnde Versorgung mit Sauerstoff im Mutterleib während der Phase der Gesichtsbildung
- Einnahme von bestimmten Medikamenten in der Frühschwangerschaft
- Rauchen
- Alkoholmissbrauch
- Umweltgifte
- Mangel an Folsäure (Vitamin B9)
- Mangel an B-Vitaminen insgesamt
Entstehung der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte in der Frühschwangerschaft
Bereits in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft entwickeln sich Teile des kindlichen Gesichts zunächst getrennt und wachsen dann von außen nach innen zusammen. In der Phase der Gesichtentstehung reagiert die Entwicklung des ungeborenen Kindes besonders sensibel auf Störungen von außen. Sie können zu einer unvollständigen Verschmelzung führen oder ein Zusammenwachsen sogar gänzlich verhindern, sodass an der eigentlichen Verschmelzungsstelle Spalten entstehen.
Je nach Zeitpunkt der Spaltbildung kommt es zu unterschiedlichen Formen. In der 5. bis 7. Schwangerschaftswoche (Zusammenwachsen von Nase, Oberlippe, Kiefer) entstehen Lippen- und Kieferspalten und in der 10. bis 12. Schwangerschaftswoche (Zusammenwachsen des Gaumens) entwickeln sich Gaumenspalten.
Diagnostik der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte erfolgt meist per Ultraschall
Etwa ab der 12. Schwangerschaftswoche lassen sich Lippenspalten per Ultraschall im Rahmen der Schwangerenvorsorge diagnostizieren. Zur Sicherung der Diagnose kann ein 3-D-Ultraschall angefertigt werden. Die Diagnose isolierter Gaumenspalten ohne von außen sichtbare Beteiligung der Lippen ist im Rahmen pränataler Diagnostik sehr schwierig. Nur etwa sieben Prozent aller Gaumenspalten können per Ultraschall während der Schwangerschaft festgestellt werden.
Nach der Geburt sind Lippenspalten bereits bei der Erstversorgung des Babys, der Vorsorgeuntersuchung U1, erkennbar. Verdeckte, also von außen nicht sichtbare, Gaumenspalten zeigen sich manchmal erst bei älteren Babys, wenn sich beim Spracherwerb Probleme bemerkbar machen. Kinder mit einer unerkannten Mikroform der Gaumenspalte, der submukösen Gaumenspalte, haben neben Problemen beim Sprechen auch häufiger Mittelohrentzündungen. Trotz intakter Schleimhaut ist bei ihnen die für das Sprechen und die Belüftung des Innenohrs so wichtige Gaumenmuskulatur nicht voll funktionsfähig - unbehandelt kann das sogar zu Schwerhörigkeit führen.
Behandlung der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte: oft sind mehrere Operationen notwendig
An der Behandlung von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten sind mehrere Ärzte aus verschiedenen Fachbereichen beteiligt. Neben Kinderärzten werden Gesichts- und Kieferchirurgen, Zahnärzte und -chirurgen, Logopäden und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte konsultiert. Je nach Spaltform erfolgen verschiedene Operationen. Ziel dieser Operationen ist es, dem Kind Komplikationen beim Essen, Trinken, Sprechen, Atmen und Hören zu ersparen und ein "normales" Aussehen zu geben.
Gaumenplatte schließt die Lücke zwischen Mund- und Nasenraum
Bei einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte oder einer reinen Gaumenspalte wird bereits in den ersten Lebenstagen (nach Möglichkeit in den ersten 72 Stunden nach der Geburt) ein Abdruck vom Gaumen erstellt, um eine herausnehmbare Gaumenplatte anfertigen zu können. Sie schließt die Lücke im Gaumen und trennt so Mund- und Nasenraum, was es dem Baby ermöglicht, weitgehend komplikationsfrei Nahrung zu sich zu nehmen. Je eher die Gaumenplatte eingesetzt wird, umso besser, da sich das Baby so einfacher daran gewöhnt. Sie ermöglicht außerdem das Trinken aus Brust oder Flasche. Durch die Platte wird auch die Zungenlage im Mundraum normalisiert, was sich wiederum positiv auf die Entwicklung des Oberkiefers auswirkt.
Der Sitz der Gaumenplatte wird in regelmäßigen Abständen kontrolliert und angepasst, weil sich die beiden Gaumenteile durch das Wachstum des Babys aufeinander zubewegen. Sie wird in der Regel bis zur operativen Schließung getragen, die je nach geeigneter Operationsmethode zwischen dem 12. (gleichzeitiger Verschluss von hartem und weichem Gaumen) und 24. Lebensmonat (zunächst nur Verschluss des weichen Gaumens) erfolgt. Bei einer zweiteiligen Operation erfolgt der zweite Eingriff mit Verschluss des harten Gaumens erst zwischen dem 2. und 5. Lebensjahr.
Lippenspalten: Operation ab dem 3. Lebensmonat
Bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalten oder reinen Lippenspalten ist eine Operation in der Regel zwischen dem 3. und 6. Lebensmonat angesagt. Aufgrund des Narkoserisikos sollte das Baby sein Geburtsgewicht zum Zeitpunkt der Operation etwa verdoppelt haben, mindestens aber fünf Kilo wiegen.
Bei der Operation wird der Spalt chirurgisch verschlossen und Lippen- sowie Gesichtsmuskulatur verbunden. Ggf. kann bei offenen Formen auch schon der Naseneingang gebildet und die Nasenspitze aufgerichtet sowie der vordere Bereich des harten Gaumens verschlossen werden.
Kieferspalten: Zeitpunkt der Operation ist entscheidend
Kinder mit einer Kieferspalte verfügen im Bereich der Spalte über eine Zahnlücke, denn die bereits im Körper angelegten Zähne können aufgrund des fehlenden Knochens nicht durchbrechen. Etwa zwischen dem 8. und 10. Lebensjahr wird etwas Knochen in die Lücke eingesetzt. Der Knochen wird aus dem Beckenkamm entnommen.
Bricht nun der seitliche Schneide- und/oder Eckzahn durch, kann er vom Kieferorthopäden in die vorhandene Lücke bewegt werden. In den kommenden Jahren ist eine kieferorthopädische Behandlung notwendig, um das Gebiss in die richtige Form zu bringen sowie Kreuz- oder Überbisse zu vermeiden. Häufig ist damit auch das Tragen einer Zahnspange verbunden.
Korrekturoperationen
Je nach Spaltform und -ausprägung sind weitere, sowohl funktionelle als auch ästhetische, Operationen bis zum Alter von etwa sechs Jahren notwendig. Ziel ist es, dem Kind bis zur Einschulung ein möglichst unauffälliges Äußeres zu geben und ihm normales Sprechen und Hören zu ermöglichen. Auch Narbenkorrekturen gehören dazu.
Nach dem Abschluss des körperlichen Wachstums können weitere, kleine Korrekturoperationen nötig werden. Auch die bereits erwähnten Narbenkorrekturen gehören dazu. Größere Kliniken verfügen häufig über eine spezielle Spaltsprechstunde, in der eine umfassende, interdisziplinäre Behandlung erfolgt.
Weitere Behandlungen
Neben der engmaschigen Betreuung durch einen Kieferorthopäden können auch Logopäden bzw. Sprachtrainer hinzugezogen werden. Das gilt besonders für Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen, die durch die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte bedingt sein können.
Ernährung von Babys mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte
Mit einer Gaumenplatte ist das Stillen oder Fläschchen geben möglich. Bei einer reinen Lippenspalte kann die Mutter während des Trinkens die Lücke einfach mit dem Finger schließen. Für Flaschen werden Spezialsauger für Kinder mit Spalten angeboren. Auch große Saugaufsätze eignen sich. Spezialisierte Kinderkrankenschwestern können im Krankenhaus in den ersten Tagen unterstützen. Stillberaterinnen und ggf. auch Hebammen sind mit Stilltechniken, die dem Baby das Trinken erleichtern, vertraut.
Das Füttern von Kindern mit einer Spalte dauert immer etwas länger - etwa 15 bis 30 Minuten müssen zusätzlich eingeplant werden.
Wie kann man einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte vorbeugen?
Da an der Entstehung einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte auch genetische Faktoren beteiligt sind, lässt sie sich nicht per se vorbeugen. Werdende Mütter können allerdings einiges tun, um das Risiko zu minimieren. Dazu gehört die Vermeidung von äußeren Einflüssen, die eine Spaltbildung begünstigen, also Verzicht auf Nikotin, Alkohol, Drogen und unnötige Medikamente. Auch auf eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen, allen voran mit B-Vitaminen, und hier vor allem Folsäure (Vitamin B9), sollte geachtet werden.
Prävention in Familien mit Vorkommen der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte
Eltern, die bereits ein Kind mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte haben oder selbst betroffen sind, wird bei weiterem Kinderwunsch eine genetische Beratung empfohlen. Es gibt außerdem Präventivempfehlungen für Risikofamilien, die in vielen Kliniken durchgeführt werden. Zur Vorbeugung gehört die Verabreichung von hochdosierten B-Vitaminen.
So wurden zum Beispiel seit den 1980er-Jahren an der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Frauen aus betroffenen Familien vorbeugend mit hochdosierten Vitamin-B-Komplex-Präparaten versorgt. Allein die Vitamin-B1-Dosis betrug das 20-fache der von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlenen Tagesdosis. Die Gabe begann wenn möglich bereits ein bis zwei Monate vor der Schwangerschaft.
Eine Analyse 2014 zeigte, dass lediglich eines von 107 Kindern mit einer inkompletten Lippenspalte (also einer Mikroform) zur Welt kam. Das Risiko einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte lag also bei den Kindern der behandelten Frauen tatsächlich bei null Prozent, während das einer Mikroform, also einer leichten Form, bei 2,8 Prozent lag. Eine Behandlung zur konkreten Vorbeugung der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte sollte immer in Absprache mit Spezialisten durchgeführt werden. Im Zweifelsfall hilft der Gynäkologe weiter bzw. vermittelt an entsprechende Stellen.
Soziale Unterstützung bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalte
Zahlreiche Elterninitiativen bieten Austausch, Beratung und Unterstützung für Eltern betroffener Kindern. Eine Übersicht sowie weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten finden Sie unter
http://www.lkg-selbsthilfe.de/.
Kinder, die von einer Spaltform wie der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte betroffen sind, haben Anspruch auf besondere Unterstützung. So können beispielsweise Fahrtkosten, Behandlungskosten und andere finanzielle Belastungen, die durch die Behandlung der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte entstehen, aufgefangen werden. Zu diesem Zweck ermöglicht der Gesetzgeber eine Einstufung der betroffenen Kinder in verschiedene Grade der Behinderung. Die Kinder gelten bis zum Abschluss der Behandlung und möglicherweise darüber hinaus als Menschen mit Behinderung. Der Antrag wird beim zuständigen Versorgungsamt gestellt. Je nach Grad der Behinderung (GdB) stehen den Eltern verschiedene finanzielle Mittel zur Verfügung. Auch Pflegegeld kann ggf. bei der Krankenkasse beantragt werden.
Bei durchgehenden Spaltformen haben die Eltern zusätzlich einen Anspruch auf Nachteilsausgleich, was mit steuerlichen Ermäßigungen einhergeht. Stand 2017 sind folgende Grade vom Gesetzgeber vorgesehen:
Spaltform | Dauer | GdB |
Lippenspalte | bis Behandlungsabschluss |
30-50 |
Lippen-Kieferspalte | bis Abschluss der Erstbehandlung |
60-70 |
Lippen-Kieferspalte | bis Verschluss der Kieferspalte |
50 |
Lippen-Kiefer-Gaumenspalte | bis Abschluss der Erstbehandlung | 100 + Nachteilsausgleich "H" |
Lippen-Kiefer-Gaumenspalte | bis Verschluss der Kieferspalte |
50 |
Gaumenspalte | bis zum 5. Lebensjahr |
100 + Nachteilsausgleich "H" |
submuköse Gaumenspalte | bis Behandlungsabschluss |
30-50 |
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