Hallo liebe Community,
auch Ich würde gerne Unsere Geschichte mit Euch teilen. Im Januar 2022 hielt ich den positiven SS-Test in der Hand, mein Partner und ich hätten nicht glücklicher sein können. Unser Baby war ein absolutes Wunschkind. Voller Freude und stolz trug ich unser Baby in mir. Die Wochen vergingen, unsere kleine Lenia Louisa wuchs und irgendwann war dann auch die Grenze der 12. Woche vorüber gegangen und wir verbreiteten die frohe Botschaft. Immerhin kann ja jetzt nichts mehr passieren, oder? Wir entschieden noch vor der Geburt zu heiraten, verlobt waren wir bereits. Mit kleinem Babybauch heirateten wir also Anfang Mai und waren als kleine Familie anschließend am Meer und haben ein paar tolle Tage verbracht, es ging uns gut, das bisher schönste Jahr unseres Lebens.
Mitte Mai hatten wir wieder einen Frauenarzt Termin, zu dem wir mit voller Vorfreude gingen. So wie immer. Das erste Mal, dass wir mit Bedenken nach Hause fahren mussten. Unser Baby war in der Größe um 2 Wochen zurück und Verdacht auf Singuläre Nabelschnuraterie. Die Aussage unserer Ärztin allerdings lies uns etwas runter kommen „Vorerst kein Grund zur Sorge“. Sie möchte allerdings sicher gehen, dass alles in Ordnung ist und überwies uns an eine Pränatalpraxis.
Am Ende Mai ging ich also entspannt und ohne Sorge zu dem Termin, es wird schon alles in Ordnung sein. Die Ärztin untersuchte mich und es dauerte keine 2 Minuten da war ihr bereits klar, das mit unserem Baby etwas nicht stimmt. Sie erklärte mir, dass unser Kleines Mädchen seit der letzten Ultraschallbilder kaum gewachsen sei, sie könne Fehlbildungen an den Füßchen erkennen, außerdem stimmt das Größenverhältnis zwischen Kopf und Körper nicht, das Gehirn sähe nicht in Ordnung aus usw., die Aufzählungen und Befunde hörten gefühlt gar nicht mehr auf. Für mich ging diese Untersuchung eine halbe Ewigkeit. Wie sagt man? Die Zeit stand still. Mir kamen die Tränen, ich war völlig fassungslos, unter Schock.. ging ich doch mit guten Gefühl zu dieser Untersuchung. Der Verdacht der Chromosomenstörung stand plötzlich im Raum. Aber wie? Es war doch bisher alles in Ordnung? Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits in der 19. Schwangerschaftswoche. Ich wollte nur noch nach Hause zu meinem Mann.
Völlig verzweifelt machte Ich einen Termin für die Fruchtwasseruntersuchung aus sowie die Genberatung, welche 2 Tage später statt finden sollte. 2 ewig lange Tage die vorrüber gingen wie in Trance. Eine Mischung aus Wut, Verzweiflung und Hoffnung, das doch noch alles gut ausginge. Ein Gedankenkarussel über Zukunftspläne, ein behindertes Kind? Können wir damit umgehen? Ist es Trisomie 21, bei der unser kleines Mädchen durchaus eine Chance und lange Lebenserwartung hätte.. Oder ist vielleicht aber doch alles in Ordnung? Oder doch schlimmeres? Tags darauf nach der Fruchtwasseruntersuchung kam der Anruf.. unser Kind hat Triploidie in allen Zellen. Ein zusätzlicher Chromosomenstrang, statt 46 Chromosomen also 69. Es sei selten, dass ein Kind mit dieser Behinderung überhaupt solange überleben kann. Da standen wir nun also, mit einer Diagnose, mit einem Schicksalsschlag mit dem wir vor 4 Wochen noch nichtmals im Traum gerechnet hätten. Unser Kind soll so schwer krank sein? Warum? Warum wir und warum unsere kleine Lenia Louisa? Ich spüre sie doch in meinem Bauch, sie strampelt. Das kann nicht sein. Aber die Ergebnisse ließen keinen Platz für Hoffnung. Ich weinte hemmungslos, es sprudelte nur so aus mit heraus. Ist es unsere Schuld? Hab ich etwas falsch gemacht? Die Aussage der Ärzte war recht kühl „Eine Laune der Natur, sie können nichts dafür, das ist Pech“. Wir könnten nun die Schwangerschaft abbrechen, „Ihr Kind wird es mit an Sicherheit grenzender Warscheinlichkeit nicht bis zum ET schaffen und falls doch, eine maximale Lebensdauer von wenigen Tagen oder Wochen haben.“
Nun standen wir da, die Welt brach zusammen und es standen quälende Tage an in denen eine Entscheidung getroffen werden musste.. Wir riefen bei unserer Gynäkologin an und machten einen Termin um offene Fragen zu klären, um darüber zu sprechen wie wir weiter machen können. Was wir tun sollen. Wir fuhren in eine Uniklinik in der uns der Ablauf eines Schwangerschaftsabbruches nochmal erläutert wurde. Und umso mehr wir darüber nachdachten wurde uns klar, es kommt für uns nicht in Frage die Schwangerschaft abzubrechen. Mein Mann und Ich waren uns einig, zum Glück. Unsere Kleine Lenia Louisa hat ein Kämpferherz und wir wollen diesen Kampf nicht abbrechen. Solange es Ihr bei mir im Bauch gut geht.
Knapp 7 Wochen durften wir Sie noch bei uns tragen. Wir gingen wöchentlich zum Ultraschall, durften Aufnahmen von Ihr und den Herztönen machen, für die ich vor allem jetzt im Nachhinein unglaublich dankbar bin. Die Zeit die wir noch mit Ihr in meinem Bauch verbringen durften war wunderschön, auch wenn es vielleicht für viele nicht nachvollziehbar ist. Wir nahmen Sie ganz bewusst wahr, sie trat mich und auch wenn sie wirklich sehr klein war konnte auch mein Mann an einem Abend im Bett sie fühlen. Wir waren unfassbar stolz auf sie und liebten sie jede Sekunde mehr. Trotz allem oder gerade deswegen habe ich eine unfassbare Bindung zu ihr aufgebaut. Ich fühlte mich als Mama und das bin ich auch.
Am Wochenende des 16.07. und 17.07.22 wurde mir klar, dass ich sie kaum noch spürte. Der nächste reguläre Frauenarzttermin war am folgenden Dienstag. Ich verbrachte also den gesamten Montag damit, in mich hineinzufühlen und plötzlich am Nachmittag ein so starker Tritt, wie ich ihn bis dahin noch nie hatte. Ich glaube sie hat mir damit „Tschüss Mama“ gesagt. Denn am Dienstag konnte kein Herzschlag mehr festgestellt werden. In der 30. SSW hatte sich unsere Kleine Lenia Louisa nun verabschiedet. Mit Tränen fuhren wir nach Hause. Nun mussten wir uns also verabschieden.
Wir fingen an die Krankenhäuser abzutelefonieren aber wurden an diesem Tag nirgends mehr angenommen worüber ich jetzt wirklich froh bin. Denn Mittwochmorgen gingen wir los und besorgten einen weißen Body, den wir noch bunt bemalten. Denn wir hatten es nicht übers Herz gebracht bis zu diesem Zeitpunkt etwas zu kaufen, das unsere kleine Kämpferin wohl nie tragen wird. Jetzt war es mir aber doch sehr wichtig, ihr etwas persönliches mitzugeben. Mittwochmittag fuhren wir zur Einleitung ins Krankenhaus, mein Mann durfte mich die ganze Zeit begleiten. Es vergingen 4 lange Tage bis Samstagnacht endlich die Bauchschmerzen begingen. Am Sonntagmorgen löste sich der Schleimtropf und am Nachmittag kam ich an den Wehentropf. Am Sonntagabend, 30+1, um 19.04 Uhr kam unser Mädchen Lenia Louisa still zur Welt. Wir hielten Sie. Mein Mann weinte, ich konnte es nicht. Ich sah Ihre Kleinen Füßchen und Händchen und war einfach nur gerührt. Es war schön sie auf meiner Brust zu halten, auch wenn ich mir nichts sehnlicher gewunschen hätte, als sie schreien zu hören. Ich war gleichzeitig entsetzt von mir Selbst, das mir nicht einmal die Tränen kullerten. Im Nachhinein betrachtet kann ich es akzeptieren, ich denke es war eine Mischung aus Adrenalin, Schmerzmittel und Erleichterung. So schwer es auch klingt aber ein Stück weit war ich froh, dass sie gehen durfte. Ihr wäre es auf dieser Welt nicht gut gegangen und ich bin froh, dass sie bereits zuvor in meinem Bauch friedlich einschlafen konnte.
Nach der Geburt musste ich noch zur Ausschabung und als ich am nächsten Morgen aufwachte spürte ich den Drang, sie nochmal zu sehen bevor wir endlich nach Hause fahren durften. Die Seelsorgerin empfing uns im Kreissaal und holte unsere Lenia Louisa, die friedlich in unserem bemalten Body lag. Und dann kullerten auch die Tränen, wir hielten sie auf dem Arm und waren unendlich traurig, dass wir alleine nach Hause fahren mussten.
Die Tage und Wochen danach waren und sind sehr schwer, ich vermisse sie. Ich sollte Bettruhe halten aber hätte mir nichts sehnlicher gewünscht als sie bei mir zu haben. Ich weinte viel und fing an, Steine und Leinwände zu bemalen mit Ihrem Namen. Außerdem schrieb ich Ihr einen Brief, in dem ich meine ganze Gefühle niederschrieb. Den legte ich zu Ihr, als wir sie das letzte Mal sahen. Die Welt drehte sich weiter, als wäre nichts passiert. Und der Gedanke lies mich nachts nicht schlafen. Es kam mir vor als würde alles normal weiter laufen, nur ohne sie. Ich hasste mich dafür, wenn es mir in einigen Momenten gut ginge und ich mit meiner Familie lachen konnte. Im nächsten Moment vergrub ich mich im Bett und weinte. Es war einfach so ungerecht. Mein Mann und Ich redeten viel und offen, er ist mir eine große Stütze.
Nun sind einige Wochen vergangen, ich bin froh das es für mich in den Mutterschutz ging. Denn so fühle ich mich auch, als Mutter. Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, wieder arbeiten zu gehen und ich bin froh, dass ich das auch nicht muss. Ich bin dankbar für den Weg den wir mit unserer Kleinen gegangen sind und ich bin dankbar das sie so lange bei uns bleiben durfte. Für uns war es der richtige Weg, die Schwangerschaft nicht abzubrechen, es war das schlimmste und gleichzeitig schönste. Der Weg kostete uns viel Kraft aber es hat uns gleichzeitig viel Kraft gegeben, zu wissen, das sie bei uns war.
Es ist schön dieses Forum hier gefunden zu haben und zu wissen man ist nicht allein. Auch wenn man so etwas natürlich niemanden wünscht. Ich habe neulich einen Spruch gelesen, den ich sehr passend finde:
„Schmerz kennt keinen Vergleich“.
Es gab Leute die zu uns sagten „Seid froh, dass ihr vorbereitet seid“ oder „Ohje, da wäre es einfacher gewesen, wenn es im ersten Trimester passiert wäre“. Da frage ich mich, wer sagt, dass der Verlust einfacher wäre, wenn er früher passiert wäre? Dürfte ich dann weniger traurig sein? Müsste ich trauriger sein, wenn es plötzlich passiert wäre? Ist der Verlust denn nicht furchtbar genug? Jeder trauert anders, jeder geht mit dem Verlust anders um. Vielleicht kann ich damit noch jemanden etwas mitgeben, denn mir hat der Spruch geholfen.