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Beerdigung

Hallo zusammen... wo fängt man an? Ich bin nicht gut in solchen Sachen...

Ich bin knapp 32, habe mit 16 meine Tochter und mit 21 meinen Sohn bekommen. Beiden geht es toll, sind mein ganzer Stolz. Ich bin eigentlich schon immer alleinerziehend, aktuell auch, wuppe das alles alleine, gehe Vollzeit arbeiten etc... Ich war auf der Erfolgswelle, hab im Januar erst noch meine langersehnte Ausbildung mit Bravur geschafft, weg vom Amt, meinen erträumten Sportwagen bekommen, einfach die Lorbeeren für viele Jahre harten Kampf geernet, den man als Teeniemutter hat. Seit drei Jahren habe ich einen festen Partner, war recht glücklich, mit den Höhen und Tiefen, die das Leben so mit sich bringt. Weitere Kinder waren nie ein Gedanke für mich, nachdem ich vor meinem Sohn bereits ganz früh ein Kind verloren habe.

Dann passierte es, trotz aller Vorsicht... Ich wollte es nicht. Jetzt werden viele denken, wie kann sie nur soetwas sagen?! Ich habe vieles erlebt, habe vier Monate im Auto leben müssen, weil Partnerschaften mit einem lauten Knall und Blaulicht in 5 Minuten zerbrachen. Dann tut man sich schwer mit Veränderungen, wenn man mal ganz unten war. Man will den Kindern Sicherheit bieten, nie wieder an den Abgrund zurück. Ein Grund, warum mein Partner und ich nicht zusammen leben.

Ich war sogar bei ProFamilia, habe mir den Beratungsschein geholt. Mein Partner wusste es nicht. Er hat sich von Anfang an gefreut, war mir in der zeit keine Hilfe. Dann kam der Tag, an dem die Abtreibung stattfinden sollte... Ich konnte einfach nicht in mein Auto einsteigen und hin fahren. Ich habe es dann nicht getan. Am selben Tag musste ich das erste Mal wegen Blutungen und plötzlichen starken Schmerzen ins KH. Meinem Kind ging es gut, die Blutungen waren unerklärbar, aber Herzschlag, alles da. Da habe ich mich das erste Mal gefreut. Das war in der 9. Woche.

Die Blutungen wurden Schwächer, die Schmerzen blieben. Ich durfte nach Hause, war von da an alle drei Tage im KH. Immer wieder Blutungen und ein komisches Druckgefühl. Zwischendurch so starke Blutungen, dass man mein Kind am Ultraschall erst nicht zu sehen war... Dann immer wieder alles gut. Am 14.06.21 war ich wieder wegen starker, plötzlicher Blutungen Ende der 14. Woche im KH. Da konnte ich über Ultraschall sehen, wie mein Baby sich bewegt, die Arme, die Beine, hat am Daumen genuckelt. In dem Moment habe ich diese richtig Starke Freude gespürt, wie es auch bei meinen beiden Großen war. Ich war so glücklich! Das erste Mal seit vielen Jahren wieder, richtig stolz und als ob man auf einer Wolke schweben kann und alles gut wird! Die Blutung hörte am selben Nachmittag auf, die Ärztin gab Entwarnung und sagte noch, es wird alles gut werden, wir seien ja jetzt schon im 4. Monat und aus der gefährliche  zeit raus. Ich durfte nach Hause. Mein Großer und ich waren noch Söckchen kaufen... Ich weiß noch, wie ich dachte, ich hätte ein erstes Kribbeln im Bauch gespürt, als ich ins Bett ging. Habe es noch meinem Partner erzählt, obwohl es dafür ja eigentlich noch viel zu früh gewesen wäre. Bei meinen Großen war das aber auch so.

In der selben Nacht zuhause habe ich geträumt, dass ich in Flammen stehe. Habe den Schmerz richtig gespürt und gesehen, wie mein Bauch brennt. Als ich aufgewacht bin, konnte ich kaum atmen. Da habe ich den Notruf gewählt. Als der Notarzt keine 5 Minuten später da war, hatte ich schon erste Schockanzeichen. Keine Hautfarbe mehr, flache Atmung etc. Da lief dann auch plötzlich das Blut. Meine große Tochter stand an meiner Seite und hat mich noch die Treppen zur Haustür runtergebracht, als es plötzlich lief.

Mein Sohn kam vor meiner Haustür im Krankenwagen zur Welt. Er hatte den Daumen im Mund, war noch in seiner Fruchtblase. So klein, aber ich konnte alles erkennen. Seine Finger, seine Zehen... Er sah aus wie ein klitzekleines Baby. Ich habe ihn in der Hand gehalten, bis wir im Krankenhaus ankamen, weil ich Angst hatte, dass er frieren könnte. Habe nicht begriffen, dass er tot ist. Ich weiß dann auch nicht mehr viel, weil ich da einfach schon so gut wie weg war. Im KH bin ich direkt notoperiert worden, weil ich einen kleinen Gebärmutterwandriss hatte und starke innere Blutungen. Bin auf dem Weg ins KH wohl fast verblutet. Mein Sohn hatte keine Chance.

Als ich aus dem OP wieder kam, war er weg. Die Seelsorgerin vom KH sagte mir, man hätte ihn zur Obduktion weggeschickt. Das hat mir das Herz zerrissen, ich hätte dem nie zugestimmt! Ich musste dann als erstes Polizeibeamten im Aufwachraum Fragen beantworten, weil alle dachten, ich hätte einen schweren Unfall gehabt oder mein Partner mich geschlagen. Es ist wohl sehr selten, dass soetwas auf diese Weise passiert. Mein Partner durfte nicht bei mir sein, bis ich irgendwann geschrien und mir die Infusionen rausgerissen habe. Er durfte sich nichtmal von seinem Sohn verabschieden.

Mein Partner und ich hatten uns dann für eine Beisetzung auf einem Sternchenfriedhof in der Nähe entschieden. Uns gefiel der Gedanke, dass unser Sohn dort nicht alleine sein würde, sondern auch noch andere Kinder neben ihm. Wir haben nun seit Juni darauf gewartet, dass der Termin stattfinden wird. Ich durfte in der Zwischenzeit seinen Sarg aussuchen. Es hatte alles so lang gedauert, weil man ihn "falsch katalogisiert" hatte nach der Obduktion, aber in zwei Wochen werde ich nun endlich am Grab meines Sohnes stehen. Er ist wieder da, ich weiß, wo er ist und ich bin schon etwas ruhiger geworden.

Es hieß im Bericht, er sei gesund gewesen und es gäbe keine Anzeichen auf Stresshormone. Auch ich sei gesund gewesen. Keine verdächtigen Hinweise auf eine Fehlgeburt. Es ist wohl extrem selten und eigentlich passiert es nur gegen Ende der Schwnagerschaft oder bei der Geburt. Dieses Druckgefühl war wohl ein Anzeichen.

Mein FA erklärte mir, er sei vermutlich im Schlaf gestorben und hätte nichts gemerkt. Mein Körper hat das so gemacht. Ich weiß noch, dass dieser wochenlange Druck in meinem Bauch weg war, als ich nach der OP aufgewacht bin. Ich hatte drei Tage nach der Fehlgeburt sogar Milcheinschuss. Hätte drillinge Stillen können, wie bei meinen beiden Großen auch. Die Tabletten vom FA haben nicht geholfen. Noch heute habe ich Milch, drei Monbate später. Mein Partner hat mich gebeten, es einfach als Andenken an unseren Sohn anzunehmen.

Nun fehlt er mir so. Es ist unbeschreiblich, es fühlt sich so an, als ob einer meiner Großen gestorben wäre. Auch wenn es schwer in den ersten Wochen war, so habe ich ihn doch sehr geliebt. Manchmal habe ich Angst, dass er das nicht genug gespürt hat und es deswegen passiert ist. Jeden Tag fühle ich die Narbe in meinem Bauch und die Leere, die er hinterlassen hat. Wie macht man weiter? Mein FA meinte, ich sollte versuchen, nochmal schwanger zu werden. Mit etwas Glück wird die Narbe nicht stören und es geht gut. Was ist das für ein Rat? Ich kann doch meinen Sohn, den ich in meiner Hand gehalten habe, nicht ersetzen? Das wäre unfair. Erst habe ich mich dann darauf konzentriert, das anzunehmen, dass mir ein zweites Leben geschenkt wurde. Irgendwie wird es immer schwerer... Ich merke, dass ich kaum noch belastbar bin, die einfachsten Sachen mich aus dem Gleichgewicht bringen. Egal was ich anfasse, es ist immer der Gedanke, dass es eh kaputt geht. Wie mein ganzes Leben schon.

Ich habe Angst davor, am Grab zu stehen mit dem schlechten Gewissen, dass ich ihn erst nicht wollte und gleichzeitig freue ich mich darauf, dass ich endlich wieder bei ihm sein kann. Wie habt ihr das durchgestanden? Wie soll man verkraften, was geschehen ist? Alle sagen, es wird irgendwann besser. Ich fühle immernoch, wie er in meiner Hand lag. So groß und so zart wie ein Vogelbaby, mit dem Daumen im Mund. Diese Erinnerung tut auch irgendwie gut. Nach seinem Tod ging das Leben einfach so weiter, als hätte es ihn nie gegeben. Arbeit, Alltag, Freunde usw; keinen intresssiert es so wirklich. Aber er war da und ich erinnere mich gerne an ihn. 

 

 

 

 

 

Bisherige Antworten

Re: Beerdigung

Hallo du Liebe,

es tut mir sehr leid, dass du gerade diese Erfahrungen durchleben musst! Ich habe deinen Post schon heute morgen gelesen, aber ich war so aufgewühlt, dass ich nicht vorher schreiben konnte.

Es ist unglaublich schwer, ein geliebtes Sternchen ziehen zu lassen. Dabei ist es völlig gleich, ob du es von Tag 1 wolltest oder dich erst später darüber gefreut hast. Und es ist in meinen Augen auch egal, wann es gegangen ist. Denn der Schmerz des Verlustes ist gleich. Und wie lange es weh tut, hängt von ganz vielen Faktoren ab.


 Ich kann mich noch lebhaft an den Herbst 2016 erinnern: ich bin zahllose Male im Bad schluchzend zusammengebrochen und hatte hinterher vom vielen Weinen Kopfschmerzen. Und selbst Wochen und Monate später war ich beim allein Autofahren sehr oft traurig und habe bei jedem Lied wieder weinen können. und auch die unqualifizierten und wenig einfühlsamen Aussagen von "Freundinnen" waren sehr verletzend. Tatsächlich habe ich mich auch von ein paar Bekanntschaften gelöst, weil es mir nicht gut getan hat und diese auch nicht sehr innig waren.

Geholfen hat mir die Zeit und der offene Umgang mit dem Thema. Ich arbeite in einem Männer dominierten Feld. 80% der Kollegen sind männlich. Und trotzdem wissen fast 75% der Kollegen von meiner Geschichte, weil ich es nicht für mich behalten wollte und konnte.

tu, was sich richtig anfühlt. Und Vergleiche nicht Tag für Tag wie es dir geht, sondern versuche immer eine Woche oder so zurück zu blicken. Du solltest merken, dass vlt erst die Abstände oder aber die Stärke der Traurigkeit /Hilflosigkeit oder welcher Gefühle auch immer ein wenig besser werden. 

ich wünsche dir ganz viel Kraft!

 

Re: Beerdigung

Hallo JuMoLe,

mein herzliches Beileid zu deinem/eurem Verlust. Welch eine Lebensgeschichte du schreibst - du hast meinen tiefen Respekt! 

Auch ich/wir haben unseren Sohn gehen lassen müssen - in der 18. SSW (2016). Da hatten wir so gar nicht mit gerechnet, nach der Bilderbuchschwangerschaft mit unserer Tochter (2011). Es schmerzt, wenn es passiert und es wird immer schmerzen. Aber das ist auch in Ordnung so. Unser Verlust wird sich im November zum 5. Mal jähren und noch immer ergreifen mich bestimmte Momente viel intensiver und anders als vorher. 

Keine Sorge, euer Sohn hat die Liebe gespürt! Wenn man so leicht Einfluss auf das Große Ganze hätte - das wäre manchmal schön - oder eben auch nicht. 

Es ist ein ganz normales Gefühl in der Trauerphase - diese Leere. Besonders, weil er ja vorher ein Teil von dir war. Gib dir etwas Zeit! Nein, ersetzen kannst du ihn nicht, sollst du auch nicht. Der Rat ist wirklich nicht sonderlich gut. Gib dir Zeit für die Trauer. Und irgendwann kannst du erneut entscheiden, ob ihr eine weitere SS wagen wollt. 

Mir hat das Buch: Gute Hoffnung, jähes Ende von Hannah Lothrop gut geholfen. Es ist nicht immer einfach, mit seiner Trauer im Alltag umzugehen. Für die meisten der Leute geht das vorherige Leben einfach weiter. Aber man selbst hat sich durch so eine Fehlgeburt doch sehr verändert. Selbst mein Mann ist mir hier keine große Hilfe. Er war ja auch nicht schwanger, verstehst du? 

Du schaffst das schon! Geb dir ein wenig Zeit, weine, wenn dir danach ist, schreibe alles auf, wenn dir danach ist, rede, wenn dir danach ist. Ich habe eine Stelle im Garten, die mich an unseren Knirps erinnert und eine Stelle auf der Küchenfensterbank (mit einem frechen Engel und einem Spruch und Platz für Blumen) und am Schreibtisch (Kerze, Spruch, und ein Familienfoto, auf dem ich weiß, dass ich da schwanger war mit ihm). Das hilft mir - Orte zu haben, an denen ich mich erinnern kann. 

Wenn du magst, kannst du gerne nochmal schreiben. 

Ich wünsche dir alles Gute und viel Kraft für die kommende Zeit!

Hope

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