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An die Lehrerinnen unter Euch

Guten Morgen zusammen!

Da ich von meinem jetzigen Job mehr und mehr genervt bin, überlege ich es nochmal mit einem Quereinstieg zu probieren. Vor 7 Jahren habe ich es schon mal probiert, da wurde ich für Mathe, Physik und Chemie an Haupt-, Real- und Gesamtschulen zugelassen.
Was meint ihr, was mögt ihr an Eurem Job, was mögt ihr nicht so? Und wisst ihr zufällig wie viel an Pädagogik-Ausbildung ich am Anfang einplanen muss?
Es würde zeitlich sicher ziemlich knapp mit unseren beiden Kleinen. Zum Glück hätte ich bei der fachlichen Vorbereitung ziemlich gute Unterstützung, da mein Vater Chemielehrer war.
Ich hätte schon Lust auf einen Neuanfang, weiß aber nicht wie anstrengend die erste Zeit würde.
Ach so, wie viele Stunden unterrichtet ihr in Vollzeit? Ich würde versuchen Teilzeit zu arbeiten, aber das hängt ja sicher von der Situation an der Schule ab.
Bisherige Antworten

Re: An die Lehrerinnen unter Euch

Guten Morgen,

der Kleine spielt gerade so schön und die Großen sind weg, da will ich doch mal antworten.

Ich unterrichte Mathe und Physik seit etwa 15 Jahren und es macht mir grundsätzlich Spaß. Leider haben die Bedingungen an den Schulen und der Verwaltungsaufwand in den letzten Jahren die Arbeit deutlich erschwert und den Stress enorm erhöht.

Früher habe ich Vollzeit gearbeitet, aber das ist bei dem Verwaltungsaufwand und der ganzen Dinge, die man neben dem Unterricht hat, mit Familie nicht mehr möglich. Vollzeit heißt bei uns an der Realschule 28 Stunden Unterricht, davon in der Regel 2x am Nachmittag. Alle 2-3 Wochen kannst du eine Nachmittags- oder Abendveranstaltung wie z.B. Konferenz, Sprechtag, Tag der offenen Tür o.ä. einplanen. Kinderbetreuung bis 16 Uhr reicht da nicht aus.

Zum Glück habe ich 2 große Jungs, die keine Betreuung mehr brauchen und der 7jährige wird auch schon sehr selbstständig, aber mit dem Kleinen (knapp 10 Monate) wird das nächstes Jahr wieder eine Herausforderung. Daher werde ich nur 50% arbeiten, alles andere wäre mir zu stressig für meine eigene Familie.

 

Wenn man eine Weile unterrichtet hat und die Lehrpläne und Ziele kennt, hält sich der Aufwand für den eigenenUnterricht in Grenzen und du kannst dich mehr um die eigentliche Aufgabe kümmern, nämlich den Haufen Jugendliche unter Kontrolle zu halten und die Kinder individuell zu fördern soweit es geht und alle Schritte dokumentieren. Dazu kommen die Korrekturen, in den Hauptfächern Arbeite, Lernstand, ZP10 usw. In den Nebenfächern Mappen, Versuchsprotokolle, Referate und Tests. Die Zeit musst du entweder zu Hause einplanen oder aber vieles schon in der Schule abarbeiten, indem du länger bleibst. Dann schleppt man die schweren Sachen auch nicht dauernd hin und her.

Die Palette der Schüler und ihrer Probleme ist vielfältig, Inklusion lernbehinderter, autistischer, stark verhaltensauffälliger u. a. Kinder, AD(H)S, Dyskalkulie, LRS, Flüchtlinge ohne Kenntnis der deutschen Sprache usw. Mit ein bisschen Glück hast du an den Haupt-/Real- und Gesamtschulen etwa 1/3 "normale" Kinder. 

Das hört sich jetzt vielleicht so an als wollte ich abschrecken, soll aber nicht so sein. Aber als Berufsanfänger, gerade im Vorbereitungsdienst, prasselt das ja alles auf einmal auf dich ein, Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man diese Probleme ggf mit nach Hause nimmt, wenn man den Job ernst nimmt. Ich bin Perfektionist und tu mich schwer damit, Dinge halbherzig zu machen, da muss man dann viel Zeit für dieses ganze Drumherum mit Elterngesprächen, Förderplänen usw einplanen. Es gibt auch Kollegen, die das lockerer sehen und nach ein paar Jahren hat man natürlich auch mehr Erfahrung, aber am Anfang ist das nervenaufreibend und leider ist die Verwaltungsarbeit auch so zeitintensiv, dass man entweder Abstriche oder Nachtschichten machen muss.

Trotz all dieser Widrigkeiten mache ich den Job an sich gerne und sehe einfach gern, wie man aus den Kindern junge Erwachsene macht, die ihr Leben nach der Schule dann in vielen Fällen sinnvoll und erfolgreich gestalten. Es wird nie langweilig und man lernt viele interessante Menschen kennen, muss sich aber auch ein dickes Fell zulegen, damit man an dem Stress und den Problemen nicht selbst zu sehr zu knabbern hat. 

Hier stehen übrigens die Möglichkeiten für den Seiteneinstieg bei uns in NRW, ideal ist natürlich die volle Lehrbefähigung mit 2jährigem Vorbereitungsdienst und Staatsexamen. Aber das ist schon eine harte Zeit in diesen 2 Jahren...

https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulpolitik/Seiteneinstieg/index.html

Re: An die Lehrerinnen unter Euch

Wow, ich danke Dir sehr für die ausführliche Antwort!!! Ich lass das ganze noch mal ein bisschen sacken und melde mich dann nochmal.

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